Asylsuchende, die allein in einer Sammelunterkunft leben, bekommen weniger Geld. Begründet wird das mit möglichen Einsparungen: Sie könnten zum Beispiel gemeinsam kochen. Nun schaltet sich Karlsruhe ein.
Drei junge Männer im Kantinenbereich einer Notunterkunft in Offenburg.
Drei junge Männer im Kantinenbereich einer Notunterkunft in Offenburg. - Philipp von Ditfurth/dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Seit 2019 bekommen alleinstehende Geflüchtete weniger Geld, wenn sie in einer Sammelunterkunft leben - zu wenig, sagen Kritiker.

Sie haben die Frage vors Bundesverfassungsgericht gebracht. Jetzt sind die Karlsruher Richterinnen und Richter in dem Verfahren zu einer Entscheidung gekommen. Der Beschluss wird heute veröffentlicht. Aktuell bekommen Menschen in einer Sammelunterkunft 330 Euro im Monat. Anderen alleinstehenden Asylbewerbern stehen 367 Euro zu.

Hintergrund ist, dass vor drei Jahren die damalige Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD eine «besondere Bedarfsstufe» für die Betroffenen einführte. Sie bekommen zehn Prozent weniger – entsprechend dem Satz für Menschen, die verheiratet sind oder mit einem Partner zusammenleben.

Zusammenwirtschaften könne «erwartet werden»

Begründet wurde das mit möglichen Einsparungen durch das gemeinsame Wirtschaften der Bewohner. Solche Effekte bestünden zum Beispiel beim Essen, «indem Lebensmittel oder zumindest der Küchengrundbedarf in grösseren Mengen gemeinsam eingekauft und in den Gemeinschaftsküchen gemeinsam genutzt werden», wie es in der Gesetzesbegründung heisst. Ein Zusammenwirtschaften könne «erwartet werden».

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hält das für realitätsfern: «Die Fluktuation in den Einrichtungen ist riesig, hinzu kommen Sprachbarrieren und unterschiedliche kulturelle und religiöse Hintergründe.» Ausserdem hätten sich die Bewohnerinnen und Bewohner nicht freiwillig zum Zusammenleben entschieden.

Um die Regelung in Karlsruhe überprüfen zu lassen, hat die GFF eine Mustervorlage erarbeitet, von der eine Richterin am Sozialgericht Düsseldorf Gebrauch gemacht hat. Im konkreten Fall geht es um einen 1982 geborenen Mann aus Sri Lanka, der seit 2014 in einer Gemeinschaftsunterkunft in der Nähe von Düsseldorf lebt.

«Mitbewohner in Ordnung, aber keine enge Beziehung»

«Meine Mitbewohner sind in Ordnung, aber wir haben keine enge Beziehung», zitiert die GFF den Kläger in einem Interview aus dem April 2021. Als Hindu esse er etwa kein Rind und in Fastenzeiten nur einmal abends vegetarisch. Aber selbst mit gemeinsamen Einkäufen lasse sich aus seiner Sicht kein Geld sparen. «Wenn ich für vier Menschen Reis koche, brauche ich auch viermal so viel Reis.»

Die GFF hat keine genauen Zahlen, wie viele Geflüchtete von der Kürzung betroffen sind, vermutet aber, dass es mehr als 100.000 sein dürften. Die Bundesregierung hatte das Einsparpotenzial durch die neue Bedarfsstufe 2019 mit rund 40 Millionen Euro im Jahr angegeben.

Sollte der Erste Senat die Kürzungen für verfassungswidrig erklären, dürften davon unmittelbar nur diejenigen Betroffenen profitieren, die gegen ihren Leistungsbescheid Widerspruch eingelegt oder geklagt haben. An rechtskräftigen Bescheiden kann üblicherweise nicht gerüttelt werden. Vermutlich müssten die Leistungen aber für die Zukunft entsprechend erhöht werden.

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