Ein Ex-Wachmann aus dem KZ Stutthof wurde jetzt wegen Beihilfe zum Mord verurteilt. In Haft muss der 93-Jährige deswegen aber nicht.
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Der ehemalige Wachmann des KZ Stutthof vor einem Hamburger Gericht. - dpa/dpa/picture-alliance
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ein ehemaliger KZ-Wachmann wurde wegen Beihilfe zum Mord verurteilt.
  • 75 Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft wurde er schuldig gesprochen.
  • Der 93-Jährige erhält eine Bewährungsstrafe.

Wer als SS-Mann auf dem Wachturm eines Konzentrationslagers stand, hat sich der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht. Das stellt das Landgericht Hamburg 75 Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft fest. Ein 93-jähriger Ex-Wachmann wird verurteilt - muss aber nicht in Haft.

Das Landgericht Hamburg hat einen ehemaligen SS-Wachmann im KZ Stutthof bei Danzig zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt.

«Wie konnten Sie sich bloss an das Grauen gewöhnen?»

Die Jugendstrafkammer sprach den 93 Jahre alten Angeklagten am Donnerstag der Beihilfe zum Mord in 5232 Fällen schuldig. Ebenfalls wurde er wegen Beihilfe zu einem versuchten Mord schuldig gesprochen. Der Prozess findet nach Jugendstrafrecht statt, weil der Mann bei der Tatzeit im Jahr 1944 erst 17 Jahre alt war.

«Wie konnten Sie sich bloss an das Grauen gewöhnen?» Das fragte die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring den 93-jährigen Ex-Wachmann vom KZ Stutthof bei der Urteilsbegründung. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Jugendstrafe von drei Jahren Haft beantragt, die Verteidigung Freispruch gefordert.

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Das Konzentrationslager Buchenwald in Weimar (D). Wegen des Coronavirus mussten mehrere Holocaust-Gedenkanlässe abgesagt werden. - Keystone

Zum Auftakt des Prozesses im Oktober hatte er bestätigt, dass er Wachdienst in dem KZ Stutthof bei Danzig verrichtet hatte. Das tat er von August 1944 bis April 1945. Er hatte betont, dass er nicht freiwillig Wachmann wurde.

Als Wehrmachtssoldat sei er wegen eines Herzfehlers nicht frontdienstfähig gewesen und in das Lager abkommandiert worden. In seinem letzten Wort vor Gericht hatte er die Überlebenden und Hinterbliebenen der KZ-Opfer um Entschuldigung gebeten.

Verurteilter erlebte Mord an 5230 Gefangenen im KZ Stutthof mit

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft waren während der Dienstzeit des Angeklagten mindestens 5230 Gefangene ermordet worden. 30 wurden in einer geheimen Genickschussanlage im Krematorium des Lagers getötet.

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Ein 93 Jahre alter ehemaliger SS-Wachmann des KZ Stutthof in einem Gerichtssaal in Hamburg. - sda

Mindestens 200 wurden in der Gaskammer und in einem verschlossenen Eisenbahnwaggon mit Zyklon B umgebracht. Wenigstens 5000 Menschen starben in Folge der lebensfeindlichen Bedingungen im sogenannten Judenlager von Stutthof.

An dem Prozess waren rund 40 Nebenkläger beteiligt, unter ihnen 35 Überlebende des Konzentrationslagers. Vier von ihnen hatten persönlich im Gerichtssaal ausgesagt, zwei waren über eine Videoschaltung angehört worden.

Überlebende berichteten von Misshandlungen

Sie hatten von täglichen Misshandlungen wie Schlägen und stundenlangen Appellen, Hinrichtungen sowie von Hunger und einer Fleckfieber-Epidemie berichtet.

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Ein 93 Jahre alter ehemaliger SS-Wachmann des Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig wird im Landgericht in einem Gerichtssaal geschoben. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa - dpa-infocom GmbH

Mit dem Urteil geht vorerst einer der letzten NS-Prozesse zu Ende. Ein weiteres Verfahren gegen einen anderen ehemaligen Wachmann in Stutthof könnte vor dem Landgericht Wuppertal beginnen. Vor der Jugendstrafkammer wurde Mitte Juli ein 95 Jahre alter Mann angeklagt, wie ein Sprecher des Gerichts sagte. Es steht aber noch ein Gutachten zur Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten aus.

14 weitere laufende Ermittlungsverfahren

Die deutschen Staatsanwaltschaften führen insgesamt noch 14 Ermittlungsverfahren wegen Verbrechen in Konzentrationslagern. Das gab die Zentrale Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg bekannt.

Offen seien drei Verfahren zu Buchenwald bei der Staatsanwaltschaft Erfurt und acht zu Sachsenhausen bei der Anklagebehörde in Neuruppin. Zudem beschäftige das Lager Mauthausen mit jeweils einem Verfahren die Staatsanwaltschaften München I und Berlin. Ferner ermittelt die Staatsanwaltschaft Itzehoe gegen eine ehemalige Schreibkraft im KZ Stutthof.

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