Die Krankenkasse Barmer warnt vor gefährlichen Impflücken bei mehreren hunderttausend Kindern.
Eine Flüssigkeit tropft aus der Kanüle einer Spritze
Eine Flüssigkeit tropft aus der Kanüle einer Spritze - dpa/dpa/picture-alliance
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Das Wichtigste in Kürze

  • Bundesregierung sieht sich durch Studie in Plänen für Impfpflicht bestätigt.

Mehr als jedes fünfte 2015 in Deutschland geborene Kleinkind sei in seinen beiden ersten Lebensjahren nicht oder unvollständig gegen Masern geimpft worden, teilte sie am Donnerstag in Berlin unter Verweis auf eine eigene Untersuchung mit. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte, zu viele Kinder hierzulande seien «unnötig gefährdet».

Die Untersuchung der Barmer beruht auf der Auswertung von Daten ihrer Versicherten, die auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet wurden. Demnach gab es knapp 166.000 Zweijährige, die 2017 ohne vollständigen Masernschutz waren. «In Deutschland werden immer noch zu wenige Kinder geimpft», warnte Vorstandschef Christoph Straub.

Die Studie erbrachte der Kasse zufolge auch, dass Impflücken bei älteren Kindern gravierender sind als bislang allgemein angenommen. Demnach wurden bei Kindern im einschulungsfähigen Alter im Jahr 2017 bei keiner der 13 am weitesten verbreiteten Infektionskrankheiten Impfquoten von über 90 Prozent erreicht.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sind allgemein Impfquoten von mindestens 95 Prozent nötig, um Ausbrüche in der Gesamtgesellschaft zu verhindern. Erst ab diesem Wert gelten sämtliche, auch ungeimpfte Menschen als umfassend geschützt.

Laut Autoren ermittelt der Report der Barmer in diesem Punkt realistischere Zahlen als die Schuleingangsuntersuchungen, die bei Debatten über Impfquoten oft als Datenbasis dienen. Bei diesen werde lediglich der Grad des Impfschutzes jener Kinder ermittelt, die einen Impfpass hätten. Da nicht geimpfte Kinder keinen Impfpass hätten, führe dies zu irreführenden Impfquoten.

Im Zusammenhang mit den Impflücken bei Masern verwies Spahn in Berlin auf die von der Bundesregierung vor rund drei Wochen auf den Weg gebrachte Impfpflicht. "Kein Kind muss heutzutage mehr an Masern leiden, erklärte er. Der Minister rief zugleich Krankenkassen auf, Aufklärungskampagnen zu starten und mit Schulen zu kooperieren. "Impfen muss Alltag für alle werden."

Nach kontroversen Diskussionen über das Für und Wider hatte das Bundeskabinett Mitte Juli einen Gesetzentwurf beschlossen, der eine Masernimpfpflicht für Kinder und Personal in Schulen und Kindertagesstätten vorsieht. Sie soll ab dem 1. März kommenden Jahres greifen. Auch Mitarbeiter medizinischer Einrichtungen müssen sich impfen lassen, wenn sie nach 1970 geboren wurden und die Krankheit im Laufe ihres Lebens bislang nicht hatten.

Der Gesetzentwurf muss noch das Parlament passieren. Masern sind eine äusserst ansteckende Viruserkrankung, bei der es zu lebensgefährlichen Komplikationen kommen kann. In Deutschland erkranken jedes Jahr mehrere hundert Menschen. Die Zahlen schwanken, weil Ausbrüche oft regional in Wellenform verlaufen.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) sah sich nach eigenen Angaben durch die neuen Barmer-Zahlen in dem Beschluss bestärkt, eine Impfpflicht einzuführen. «Es war richtig, dass die Bundesregierung das Masernschutzgesetz beschlossen hat», sagte sie den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Jeder Mensch trage dabei auch «Verantwortung für andere».

Die Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche kritisierte die Impfpflichtpläne der Regierung als «zu kurz gedacht». Es sei eine umfassendere «Impfstrategie» notwendig, erklärte sie in Berlin. Auch die Impflücken bei Jugendlichen und Erwachsenen müssten etwa durch Kampagnen angegangen werden.

Die Barmer-Studie dokumentierte auch regional unterschiedliche Impfquoten bei Kindern. In Bayern waren demnach 5,3 Prozent aller Zweijährigen überhaupt nicht geimpft, in Brandenburg nur 2,2 Prozent. Insgesamt waren die Impfquoten laut Kasse auch in Baden-Württemberg, Thüringen und Bremen eher niedrig. Dagegen waren sie auch in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vergleichsweise hoch.

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