Ein Vermisster, Knochen-Funde an einem Waldstück, Sägen und Blutspuren in einer Wohnung: Ein Puzzle mit grausigen Details setzten Berliner Ermittler zusammen. Nun steht ein mutmasslicher Kannibale vor Gericht.
Der Angeklagte im Gerichtssaal in Berlin. Foto: Paul Zinken/dpa
Der Angeklagte im Gerichtssaal in Berlin. Foto: Paul Zinken/dpa - dpa-infocom GmbH
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Lehrer hielt die Hände locker vor dem Bauch gefaltet, als er den Eltern des Opfers erstmals im Gerichtssaal gegenüberstand.

Er soll einen 43 Jahre alten Mann in Berlin ermordet haben - in der Absicht, Teile der Leiche zu essen und geschlechtliche Befriedigung zu erlangen. Von einem Sexualmord mit kannibalistischem Hintergrund geht die Staatsanwaltschaft aus. Der erste Tag in dem Indizienprozess am Dienstag am Landgericht Berlin ist nicht über die Anklageverlesung hinausgekommen.

Nur knapp 40 Wörter umfasst der Anklagesatz. Der Deutsche habe am 6. September 2020 in seiner Wohnung in Berlin-Pankow das 43-jährige Opfer «auf bislang nicht bekannte Weise» getötet, heisst es darin. Ein Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebes und sonst aus niedrigen Beweggründen wird dem Lehrer zur Last gelegt. Der korpulente Angeklagte im karierten Hemd hörte die Vorwürfe äusserlich regungslos - und hüllte sich in Schweigen. Ihr Mandant werde sich zunächst nicht äussern, erklärten seine Verteidigerinnen.

Wie in einem Gruselkrimi soll es abgelaufen sein. Erst verschwand ein Mann scheinbar spurlos, dann wurden Wochen später Knochenteile gefunden. Detail für Detail fügten Ermittler zusammen. Bis zu einem verstörender Verdacht: Ist es ein Fall von Kannibalismus?

Staatsanwalt Martin Glage ist überzeugt davon. Ermittlungen hätten ergeben, dass der Lehrer bereits Monate vor dem Tod des 43-Jährigen in verschiedenen sogenannten Kannibalismus-Foren konkret und detailreich recherchiert habe. Er habe sich dafür interessiert, «wie man Menschen schlachtet und dann verspeist», so Glage am Rande der Verhandlung. Der Lehrer habe sich auch darüber informiert, wie man ein solches Geschehen am besten vertuschen kann.

Der Angeklagte und der Monteur im Hochleitungsbau sollen sich erst Stunden vor der Tat über ein Dating-Portal kennengelernt haben. Spontan sei ein Sex-Date in der Wohnung des Lehrers verabredet worden. Es gebe keine Hinweise darauf, dass sich der 43-Jährige töten lassen wollte, so Glage. «Er wollte da lebend wieder raus.»

Der Monteur soll seine Wohngemeinschaft am 5. September kurz vor Mitternacht verlassen haben. Er kehrte nicht mehr zurück. Seine Mutter erstattete Vermisstenanzeige. Wochenlang bangten und hofften seine Eltern, Geschwister, Freunde. Nachdem Spaziergänger am 8. November an einem Waldstück in Berlin-Buch Knochenteile gefunden hatten, wurde aus dem Vermisstenfall ein Mordverfahren. Drei Knochen-Funde an zwei verschiedenen Orten wurden gemacht.

Die Polizei setzte Personen- und Leichenspürhunde ein. Es wurden Chatprotokolle ausgewertet sowie der Taxifahrer ermittelt, der das Opfer nach Pankow gebracht hatte. Nach der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten wurde er als mutmasslicher Kannibale festgenommen. «Es sind Geräte zum Zerteilen von Leichen sowie Kühlanlagen gefunden worden», so der Ankläger. Ausserdem «viel Blut des Opfers».

Fast der gesamte Körper des Toten sei gefunden worden. «Man konnte feststellen, dass die Leiche zersägt wurde und bestimmte Körperteile, die bis heute fehlen, entnommen wurden», erklärte der Staatsanwalt weiter nach dem ersten Tag. Mit einem Carsharing-Fahrzeug soll der Lehrer Leichenteile zu Fundorten gefahren haben.

Seit dem 18. November sitzt der in Rheinland-Pfalz aufgewachsene Mann in Haft. Er galt als freundlicher und sozialer Kollege, hiess es am Rande der Verhandlung über den Lehrer für Mathematik und Chemie. Der Prozess ist bislang bis Ende Oktober terminiert. Für die Eltern des Opfers sagte Nebenklage-Rechtsanwalt Sven Peitzner: «Sie wollen wissen, was ihrem Sohn passiert ist.»

Das Berliner Mordverfahren erinnert an ein spektakuläres Verbrechen in Deutschland aus dem Jahr 2001, das als Fall des «Kannibalen von Rotenburg» bekannt geworden ist. Ein Computertechniker hatte sein späteres Opfer über eine Kontaktanzeige in einem Internet-Forum kennengelernt. Er schnitt im März 2001 seinem Berliner Internet-Bekannten auf dessen ausdrückliches Verlangen hin zunächst den Penis ab. Später erstach er den Ingenieur und ass ihn teilweise auf. Das Strafverfahren endete mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

StaatsanwaltMathematikInternetGerichtMutterChemiePenisMordHaftTod