EU verständigt sich auf Gas-Notfallplan
Das Wichtigste in Kürze
- Die EU-Staaten haben einen Notfallplan ausgehandelt, sollte Putin den Gashahn zudrehen.
- Jedes Land will seinen Verbrauch im schlimmsten Fall freiwillig um 15 Prozent senken.
- Dieser Verzicht würde aber nur einen «normalen» Winter überbrücken, warnt die Kommission.
In Vorbereitung auf einen möglichen Stopp russischer Gaslieferungen haben sich die EU-Staaten auf einen Notfallplan zur sofortigen Drosselung des Verbrauchs verständigt. Die Einigung sieht vor, den nationalen Konsum im Zeitraum vom 1. August 2022 bis zum 31. März 2023 freiwillig um 15 Prozent zu senken.
Plan reicht nur für «normalen Winter»
Darauf einigten sich die Energieminister auf einem Sondertreffen. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei weitreichenden Versorgungsengpässen einen Unionsalarm auszulösen und verbindliche Einsparziele vorzugeben.
Im Vergleich zu Planungen der EU-Kommission sind dafür allerdings deutlich mehr Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen, und auch die Hürden für die Einführung von verbindlichen Einsparzielen wurden erhöht.
EU-Energiekommissarin Kadri Simson warnte deswegen bei einer Pressekonferenz, dass die Einsparziele nach einer ersten Kalkulation nur ausreichen werden, um im Fall eines Stopps russischer Lieferungen sicher durch einen normalen Winter zu kommen.
Für einen kalten Winter wird es bei einem Lieferstopp noch im Juli nicht reichen. Simson sprach von notwendigen Einsparungen von 30 Milliarden Kubikmeter für einen durchschnittlichen Winter und 45 Milliarden Kubikmeter für einen kalten Winter.
Nur Ungarn stellt sich quer
Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold (Grüne) betonte: «Wenn höhere Einsparungen notwendig werden, werden wir erneut sprechen.» Ihm zufolge war nur Ungarn gegen den Notfallplan. Giegold betonte: «Mit der Gaseinspar-Verordnung helfen Staaten, die sich nicht von Putins Russland abhängig gemacht haben, den Mitgliedsstaaten, die jahrelang blind auf billiges fossiles Gas gesetzt haben. Darunter Deutschland.»
Der ungarische Aussenminister Peter Szijjarto sagte nach Angaben eines Regierungssprechers: «Für Ungarn ist diese Entscheidung völlig inakzeptabel, und ihre Umsetzung kommt nicht in Frage.» Ungarische Interessen würden igoriert.
Staaten sollen freiwillig verzichten
Der nun vereinbarte Plan setzt zunächst beim 15-Prozent-Ziel auf Freiwilligkeit. Wie es erreicht werden soll, bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Vergleichszeitraum soll der Durchschnittswert des Verbrauchs in der Periode August bis Ende März der vergangenen fünf Jahre sein.
Erst im nächsten Schritt könnte es dann verpflichtende Einsparziele geben, die in der Regel bei 15 Prozent liegen sollen. Im Vergleich zum Vorschlag der EU-Kommission wurden die Hürden für die Einführung der Einsparvorgaben allerdings erhöht.
Inselstaaten ausgenommen
Nicht zum Gassparen verpflichtet werden sollen unter anderem Inselstaaten wie Zypern, Malta und Irland, die ohnehin nicht mit dem zentraleuropäischen Gasnetz verbunden sind. Bei anderen Ländern sollen zum Beispiel Anstrengungen zur Einspeicherung von Gas, eine drohende Stromkrise und der Verbrauch von Gas als Rohstoff etwa zur Erzeugung von Düngemitteln für die Lebensmittelproduktion die verpflichtende Einsparmenge reduzieren können.
Deutschland selbst ist nach Angaben von Wirtschaftsminister Robert Habeck beim Gassparen auf einem guten Weg. Demnach liegt Deutschland bei 14 oder 15 Prozent Einsparungen - allerdings im Vergleich zum Vorjahr und nicht temperaturbereinigt. Habeck machte deutlich, dass Deutschland die 15 Prozent noch übertreffen sollte.
Nach Angaben des deutschen Wirtschaftsministeriums lag der Anteil russischer Gaslieferungen für Deutschland vor Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine im Mittel bei mehr als der Hälfte. Ende Juni lag der Wert zwar nur noch bei 26 Prozent, allerdings war ein Grund dafür auch, dass Gazprom die Lieferungen über Nord Stream 1 gedrosselt hatte.
Putin sitzt am längeren Gashebel
Wie gross Putins Hebel ist, machte er gerade erneut deutlich. Am Montag kündigte der russische Gazprom-Konzern an, die Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 ab Mittwochmorgen erneut deutlich zu drosseln.
Habeck bezeichnete dies als klare Strategie aus dem Kreml. «Ich glaube, dass Gazprom selber, also der Konzern, gar nicht mehr Herr seiner eigenen Entscheidungen ist. Die Farce um diese kanadische Turbine spricht da eine eindeutige Sprache», sagte er. Man müsse sich innerlich darauf einstellen, dass weniger oder irgendwann gar kein russisches Gas komme.
Formell beschlossen ist der Gasnotfallplan nach dem Treffen der Energieminister noch nicht. Dazu ist noch ein schriftliches Verfahren nötig, das nach Angaben der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft innerhalb der kommenden Tage abgeschlossen werden soll. Anders als von der EU-Kommission vorgesehen, soll der Plan nicht für zwei Jahre, sondern zunächst nur für ein Jahr gelten.