Die EU lässt die Tür für die Einstufung von Atomkraft als «grüne» Geldanlage offen.
Atomkraftwerk
Das Atomkraftwerk Cruas in Frankreich. - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Abschliessende Einigung von Mitgliedstaaten und Parlament auf Definitition.
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Das Europaparlament und die Mitgliedstaaten einigten sich auf eine einheitliche Definition für nachhaltige Finanzprodukte, wie der finnische EU-Vorsitz am Dienstag auf Twitter mitteilte. Ob Atomkraft tatsächlich als «grüne» Finanzanlage eingestuft wird, entscheidet sich demnach jedoch frühestens in zwei Jahren - der Druck auf die EU-Kommission, dies zumindest für eine Übergangszeit zu tun, ist aber gross.

Der weltweite Markt für grüne und nachhaltige Geldanlagen entwickelt sich rasant. Bislang ist jedoch nicht eindeutig definiert, was als nachhaltig bezeichnet werden kann. Die EU versucht hier, weltweit Standards zu setzen. Sie soll auch verhindern, dass Finanzprodukte als grüner bezeichnet werden als sie sind («green-washing»).

«Wir haben Geschichte gemacht», jubelte der für die Finanzbranche zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis. Die Vereinbarung helfe, grüne Investitionen zu fördern, um das EU-Ziel zu erreichen, Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen.

Die EU-Definition zeige der Welt «die Richtung, wo Investitionen gemacht werden sollten», erklärte der grüne Parlamentsberichterstatter Bas Eickhout. Ein verschärftes Kriterium zu Umweltschäden helfe dabei, «zu vermeiden, dass Atomenergie als für die Umwelt nachhaltiges Investment betrachtet wird». Für den deutschen Grünen Sven Giegold ist der Weg nun «frei für glaubwürdige nachhaltige Finanzprodukte ohne green-washing durch Atomkraft».

Der Franzose Pascal Canfin von den Liberalen im EU-Parlament erläuterte aber, ob die Atomkraft als nachhaltige Geldanlage eingestuft werde, entscheide sich nun erst Ende 2021. Die EU-Kommission erstellt dann eine Liste zu dem Bereich möglicher Übergangstechnologien und muss insbesondere entscheiden, ob die Kernkraft wegen des anfallenden Atommülls als umweltschädlich eingestuft wird.

De facto hätten beide Seiten «die Sache verschoben», um die Gesamteinigung nicht zu gefährden, räumte Canfin gegenüber der Nachrichtenagentur AFP ein. «Es ist klar, dass wir die Debatte (über die Atomkraft) erneut haben werden.»

Nach der Vereinbarung soll es künftig drei Kategorien für nachhaltige und annähernd nachhaltige Finanzprodukte geben. Kohle wäre demnach nicht nachhaltig, bei Gas hinge dies vom Einzelfall und der CO2-Bilanz ab. Wie bei Atomkraft fällt hier die konkrete Entscheidung auch erst in zwei Jahren.

Der Atomkraft-Streit hatte vergangene Woche auch die Beratungen der EU-Staats- und Regierungschefs über das Ziel belastet, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Auf Druck Tschechiens, Ungarns, Polens und Frankreichs wurde in die Gipfel-Erklärung schliesslich explizit die Atomkraft als mögliche Energiequelle auf dem Weg zur Klimaneutralität erwähnt.

Frankreich hatte davor mit osteuropäischen Staaten eine erste Einigung mit dem Parlament über die Einstufung bei Finanzprodukten noch verhindert und Änderungen am Text durchgesetzt. Die Osteuropäer sind zwar weiter gegen diese nun getroffene Vereinbarung, Frankreich aber dafür. Nach Einschätzung von Diplomaten und Parlamentsvertretern wird sie am Mittwoch endgültig von den Mitgliedstaaten gebilligt werden.

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