Ein Gericht auf der griechischen Insel Lesbos hat zwei Männer wegen Drohungen gegen Flüchtlingshelfer zu drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
Blick auf das Flüchtlingslager Moria
Blick auf das Flüchtlingslager Moria - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Erstes Gerichtsverfahren nach gewaltsamen Angriffen auf Lesbos.

Die Richter begründeten ihr Urteil am Freitag mit Drohungen, welche die beiden Männer im Online-Dienst Facebook veröffentlicht hatten. Es war das erste Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit den gewaltsamen Angriffen auf Flüchtlingshelfer und Journalisten am vergangenen Wochenende.

Einer der beiden Angeklagten betonte nach der Urteilsverkündung, er werde auch weiterhin sein «Land verteidigen». Die Mehrheit der Hilfsorganisationen auf Lesbos verhalte sich «wie Agenten», sagte der 73-Jährige der Nachrichtenagentur AFP. «Diese Banditen sollten die Insel verlassen.» Er würde jedoch «nie» das Leben anderer bedrohen, fügte er hinzu.

Die Leiterin der Hilfsorganisation Lesbos Solidarity, Efi Latsoudi, hatte Anzeige gegen die beiden Männer erstattet. Ziel sei es, «einen grösseren juristischen Prozess» wegen der Gewalt gegen Flüchtlingshelfer anzustossen, sagte Latsoudi, deren Organisation das Flüchtlingslager Pikpa auf Lesbos betreibt. «Ich habe noch nie etwas Vergleichbares gesehen», sagte sie mit Blick auf die Angriffe Rechtsradikaler auf Flüchtlingshelfer und Journalisten am vergangenen Wochenende.

Nach Latsoudis Angaben waren am Sonntag auch zwei Fahrzeuge ihrer Organisation von Inselbewohnern zerstört worden. Überdies sei ein unbewohntes Auffangzentrum für Migranten im Norden von Lesbos in Brand gesetzt worden.

Wegen der zunehmenden Gewalt gegen Mitarbeiter hatten mehrere Hilfsorganisationen in den vergangenen Tagen ihre Aktivitäten auf Lesbos eingestellt und ihr Personal von der Insel abgezogen. Angegriffen worden waren laut Reporter ohne Grenzen auch mehrere Journalisten, die über die Gewalt gegen Flüchtlinge und Flüchtlingshelfer berichten wollten.

Augenzeugen berichteten von Strassenblockaden, die mit Keulen, Brecheisen und Ketten bewaffnete Rechtsradikale am Sonntag und Montag auf Lesbos errichteten, um Verkehrsteilnehmer zu kontrollieren. Ein Inselbewohner berichtete, eine mit Griechenland-Flaggen ausgestattete 15-köpfige Gruppe habe ihm an einem der Kontrollpunkte gesagt, «NGOs und Ausländer» würden nicht durchgelassen.

Ein weiterer Inselbewohner berichtete von einem Vorfall, bei dem die Rechtsradikalen einen Lieferwagen einschlugen - offenbar in der Annahme, in dem Fahrzeug würden Hilfsgüter transportiert. «Sie haben die Türen geöffnet und willkürlich die Insassen geschlagen», berichtete der Bewohner. Die Rechtsradikalen hätten die Reifen aufgeschlitzt, seien in den Lieferwagen eingedrungen und hätten Lebensmittel aus dem Wagen geworfen.

Mehrere Hilfsorganisationen warfen der Polizei vor, die Augen vor den Attacken und Drohungen «faschistischer Banden» zu verschliessen. Die Polizei gab an, nach «mehreren Berichten über Angriffe auf Menschen und Autos» Ermittlungen eingeleitet zu haben.

Seit der türkischen Grenzöffnung zu Griechenland für Flüchtlinge vor einer Woche kamen mehr als 1720 Menschen auf Lesbos und den anderen vier Ägäisinseln an. Auf den Inseln leben bereits insgesamt 38.000 Flüchtlinge unter katastrophalen Bedingungen. Allein im auf weniger als 3000 Menschen ausgelegten Flüchtlingslager Moria auf Lesbos leben mehr als 19.000 Menschen.

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