Diese Tage besuchte Bundespräsident Alain Berset Bangladesch und versprach humanitäre Hilfszahlungen. Die Region steht wegen der desaströsen Situation um die aus Myanmar flüchtenden Rohingya im Fokus der Weltöffentlichkeit. Sowohl Bangladesch als auch Myanmar werden von Frauen - in einem ähnlichen politischen Dilemma - gelenkt.
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Situation der Rohingya dürfte letzten Endes auch vom Schicksal zweier regierenden Frauen abhängen.
  • Hasina Wazed und Aung San Suu Kyi sehen sich mit einem ähnlichen politischen Dilemma konfrontiert.

Gemeinsames Leid

Sheikh Hasina Wazed amtet im überwiegend muslimischen Bangladesch seit 2009 als Premierministerin. Im Zuge der misslichen Lage der ebenfalls muslimischen Rohingya im Nachbarland Myanmar öffnete Wazed ihre Grenzen. Die humanitäre Tat brachte ihr den – teilweise selbstinszenierten – Übernamen «Mother of Humanity» (Mutter der Menschlichkeit) ein und soll ihr gemäss Gerüchten schon bald den Friedensnobelpreis einbringen.

Aung San Suu Kyi
Aung San Suu Kyi geniesst im Westen grundsätzlich grosse Popularität, ernten jedoch auch Kritik. - Keystone
Berset besuchte diese Woche ein Flüchtlingslager verfolgter Rohingya.
Berset besuchte diese Woche ein Flüchtlingslager verfolgter Rohingya. - Keystone

Die Aufnahme von hunderttausenden Rohingya-Flüchtlingen scheint nun jedoch Unmut in der eigenen Bevölkerung zu generieren. Gemäss einem Korrespondentenbericht des SRF herrscht in der selbst zumeist armen Bevölkerung Bangladeschs zunehmend Unverständnis darüber, dass die Rohingya international im Zentrum des Interesses stehen und ihnen somit direkte Hilfszuwendungen angedeihen, die sie selbst auch bitter nötig hätten.

Von der Premierministerin Wazed wird daher zunehmend erwartet, ihre Politik wieder vermehrt an den Problematiken der eigenen Wählerschaft auszurichten. Dies bringt Wazed in eine Zwickmühle zwischen den humanitären Hoffnungen, die international auf sie gesetzt werden, und dem demokratischen Druck ihrer eigenen Wählerschaft.

Das Dilemma von Aung San Suu Kyi

Alain Berset triff in Bangladesch die Regierungschefin Sheikh Hasina Wazed.
Alain Berset triff in Bangladesch die Regierungschefin Sheikh Hasina Wazed. - Keystone

Das Dilemma von Sheikh Hasina Wazed

Auf der anderen Seite der Grenze ist die de facto Regierungschefin bereits mit dem Friedensnobelpreis geschmückt: Aung San Suu Kyi. Im Vielvölkerstaat Myanmar herrschen seit längerem religiöse Unruhen zwischen der buddhistischen Mehrheit und der muslimischen Minderheit, zu der auch die Rohingya gehören.

Ähnlich der Zwangslage der Premierministerin von Bangladesch, sieht sich auch die «Lady» den internationalen Erwartungen an sie als Friedensnobelpreisträgerin auf der einen, und dem demokratischen Druck ihrer Wähler auf der anderen ausgesetzt.

Die öffentliche Zurückhaltung Aung San Suu Kyis gegenüber den gewaltsamen Massenvertreibungen der Rohingya aus der Grenzprovinz Rakhaing wird international seit einiger Zeit heftig kritisiert.

Auch wenn über das tatsächliche Motiv ihrer diesbezüglichen Reserviertheit nur spekuliert werden kann, dürfte diese zum Teil ebenso vom demokratischen Druck ihrer Wählerbasis ausgehen. Schliesslich wurde sie von der buddhistischen Mehrheit gewählt und sieht sich entsprechend auch dazu gezwungen, deren Wünschen zu entsprechen, um sich auch künftig ihre Wählerstimmen zu sichern.

Insbesondere in der muslimischen Welt stösst die zurückhaltende Haltung Aung San Suu Kyi auf Kritik. Hier ein Plakat in den Strassen der iranischen Stadt Isfahan.
Insbesondere in der muslimischen Welt stösst die zurückhaltende Haltung Aung San Suu Kyi auf Kritik. Hier ein Plakat in den Strassen der iranischen Stadt Isfahan. - dm

Damit stehen die beiden Frauen gewissermassen vor einem ähnlichen Dilemma. Entweder sie entsprechen den Erwartungen der internationalen Gemeinschaft, oder sie folgen den Forderungen ihrer Wählerschaft. Ersteres könnte ihrem Land internationale Gunst und somit ausländische Hilfszahlungen einbringen. Letzteres sichert ihnen die notwendige Wählerbasis, damit Wazed und Suu Kyi auch künftig politischen Einfluss ausüben können: Eine Zwickmühle zwischen Humanität und Demokratie.

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