Nordkorea hat nach eigenen Angaben weitere Fortschritte bei der geplanten Stärkung seiner Kapazitäten für einen Atomschlag gemacht.
Passanten verfolgen an einem Bahnhof eine Nachrichtensendung über einen Raketentest in Nordkorea. Zwei weitere Raketen wurden von Pjöngjang als Test eines neuen Raketenstartsystems dargestellt. Foto: Ahn Young-Joon/AP
Passanten verfolgen an einem Bahnhof eine Nachrichtensendung über einen Raketentest in Nordkorea. Zwei weitere Raketen wurden von Pjöngjang als Test eines neuen Raketenstartsystems dargestellt. Foto: Ahn Young-Joon/AP - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Nordkorea hat nach eigenen Angaben erfolgreich eine taktische Lenkwaffe getestet.
  • Die USA und Südkorea starteten am Montag ein gemeinsames Militärtraining.

Das Land habe erfolgreich eine neuartige taktische Lenkwaffe getestet, berichteten die Staatsmedien am Sonntag, ohne den Zeitpunkt des Tests oder andere Details zu nennen.

Doch hiess es, die Entwicklung dieses Waffensystems sei von grosser Bedeutung, um die Feuerkraft von weitreichenden Artilleriegeschützen an der Frontlinie und die Effizienz beim Einsatz von «taktischen Atomwaffen» zu erhöhen.

Machthaber Kim Jong Un habe den Test überwacht. Die Streitkräfte der USA und Südkoreas starteten unterdessen am Montag ein gemeinsames Militärtraining.

Unsicherheit auf koreanischer Halbinsel

Unter taktischen Atomwaffen oder nuklearen Gefechtsfeldwaffen versteht man Kernwaffen, deren Wirkungskreis und Sprengkraft deutlich geringer ist als bei strategischen Atomwaffen, die über einen Kontinent hinaus eingesetzt werden können. Sie könnten bei Kämpfen theoretisch als wirkmächtige Alternative zu herkömmlichen Waffen eingesetzt werden, etwa als Kurzstreckenraketen, Artilleriegeschosse oder auch Landminen. Sie könnten beispielsweise auch von Flugzeugen als Bomben abgeworfen werden.

Der Waffentest erfolgte in einer Zeit grösserer Unsicherheit auf der koreanischen Halbinsel. Die USA und ihr Bündnispartner Südkorea befürchten, dass Nordkorea nach seinen jüngsten Raketentests auch schon bald wieder einen neuen Atomtest vornehmen könnte. Der US-Sonderbeauftragte für Nordkorea, Sung Kim, warf der international isolierten Führung in Pjöngjang am Montag in Seoul «eskalierende Aktionen» vor. Die USA und ihre Alliierten würden entschieden darauf reagieren.

Der Konflikt um Nordkoreas Atomwaffen- und Raketenprogramm gehört zu den gefährlichsten weltweit. Das Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri schätzt auf Basis des produzierten spaltbaren Materials, dass das Land 40 bis 50 Atomsprengköpfe bauen oder gebaut haben könnte. Nordkorea hatte sich 2003 aus dem Vertrag über eine Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen zurückgezogen.

Atomwaffen als Überlebensgarantie

Die kommunistische Führung in Pjöngjang sieht in den Atomwaffen eine Überlebensgarantie. Sie hält an ihrem Atomprogramm trotz harter Uno-Sanktionen fest und nimmt damit in Kauf, dass die wirtschaftliche Entwicklung des Landes gehemmt wird.

Die Angaben Nordkoreas zum jüngsten Waffentest können nicht unabhängig überprüft werden. Der Generalstab der südkoreanischen Streitkräfte bestätigte zwar den Test, sprach aber zunächst von zwei «Projektilen», die Nordkorea am Samstagabend (Ortszeit) in Richtung offenes Meer im Osten abgefeuert habe.

Sie seien etwa 110 Kilometer weit geflogen, bei einer Flughöhe von bis zu 25 Kilometern. Experten vermuteten, dass es sich dabei um ballistische Kurzstreckenraketen handeln könnte. Nordkoreas Kurzstreckenraketen sollen laut Experten vor allem dazu dienen, etwa Ziele im benachbarten Südkorea treffen und der gegnerischen Raketenabwehr ausweichen zu können.

Uno-Resolutionen verbieten Nordkorea die Erprobung von ballistischen Raketen jeglicher Reichweite, die je nach Bauart auch einen Atomsprengkopf tragen können. Ballistische Raketen sind in der Regel Boden-Boden-Raketen, die meistens über ein Steuerungssystem verfügen.

Nordkoreas Machthaber brachte den jüngsten Waffentest in direkten Zusammenhang mit den Vorgaben der herrschenden Arbeiterpartei, die nukleare Abschreckung Nordkoreas zu verstärken. Kim habe angewiesen, die «Verteidigungsfähigkeiten und die Nuklearstreitmacht auszubauen», wurde er zitiert. Kim hatte im Januar 2021 die Entwicklung taktischer Atomwaffen sowie neuer Interkontinentalraketen (ICBM) mit Feststoffantrieben gefordert, die auch die USA erreichen könnten.

Nicht erster Raketentest

Nordkorea hatte seit Anfang dieses Jahres bereits mehrfach Raketen getestet. Ende März wurden die Nachbarländer und die USA insbesondere durch den Abschuss einer nordkoreanischen ICBM alarmiert. ICBM haben Reichweiten von mehr als 5500 Kilometer. Mit dieser Aktion hatte Pjöngjang auch ein selbst gesetztes Moratorium für solche Raketen gebrochen, das bisher auch für Atomtests gegolten hatte.

Nordkorea könnte laut Beobachtern den Zeitpunkt des jüngsten Waffentests auch gewählt haben, um Südkorea und den USA wegen ihrer gemeinsamen Militärübung eine Warnung zukommen zu lassen.

Ihre halbjährige Kommandoübung habe am Montag wie geplant begonnen, teilte ein Sprecher der US-Streitkräfte Korea (USFK) mit. Sie solle neun Tage dauern. Es handle sich um ein halbjährliches Verteidigungstraining unter Verwendung von Computersimulationen. Es gebe keine Übungen im Gelände. Bei der sogenannten Stabsrahmenübung geht es um die Zusammenarbeit von Führungsstäben.

Nordkorea wirft den USA regelmässig vor, durch ihre Militärübungen in Südkorea einen Angriff vorzubereiten. Das bestreiten Washington und Seoul.

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