Nach Einnahme von Al-Faschir: Hunderte Zivilisten getötet
Nach der Einnahme von Al-Faschir durch die Miliz RSF sollen laut Ärztenetzwerk binnen drei Tagen 1500 Zivilisten getötet worden sein.

Nach der Einnahme der sudanesischen Grossstadt Al-Faschir durch die Miliz RSF (Rapid Support Forces) hat sich die Lage für die Bevölkerung Experten zufolge extrem verschlechtert.
Die RSF habe innerhalb von drei Tagen mindestens 1.500 unbewaffnete Zivilisten in der Stadt getötet, teilte das Sudanesische Ärztenetzwerk mit. Die Miliz hatte am Wochenende die Kontrolle über die stark umkämpfte Stadt in der Region Darfur gewonnen. Die Zivilisten seien nach Angaben des Ärztenetzwerks getötet worden, als sie versuchten, aus Al-Faschir zu fliehen.
Die Ärzte bezeichneten die Handlungen der RSF als «Genozid» gegen die nicht arabische Bevölkerung im Land. Unter «Genozid» versteht man die gezielte und systematische Vernichtung einer Gruppe aufgrund ihrer Nationalität, Ethnie oder Religion, entweder ganz oder teilweise. Justin Lynch, Sudan-Forscher und Geschäftsführer der Conflict Insights Group, sagte dem US-Sender CNN, die Einnahme von Al-Faschir durch die RSF könnte der Beginn eines Massakers an Zivilisten sein.
WHO-Chef schockiert über Ermordung von Patienten
Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) berichten Flüchtende von willkürlicher Gewalt, Morden und Hinrichtungen von Zivilisten, sowie Videos, die Dutzende unbewaffnete Männer zeigen, die erschossen wurden. Tedros Adhanom Ghebreyesus, der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), zeigte sich zudem «entsetzt und zutiefst schockiert» über Berichte über die Ermordung von mehr als 460 Patienten und Begleitpersonen in einem Entbindungskrankenhaus in Al-Faschir.
Tom Fletcher, der Leiter des UN-Nothilfebüros Ocha, sagte dem Sender CNN, weiterhin seien Hunderttausende Zivilisten in Al-Faschir eingeschlossen, ohne Nahrung und medizinische Versorgung. Fluchtwege seien laut Fletcher aufgrund «intensiver Bombardierungen und Bodenangriffe» blockiert. Offiziell hatte die RSF erklärt, sie wolle die Zivilisten in Al-Faschir schützen und denjenigen, die die Stadt verlassen wollen, sichere Korridore zur Verfügung stellen.
300.000 Zivilisten in Al-Faschir eingeschlossen
In dem ostafrikanischen Land am Horn Afrikas herrscht seit April 2023 ein blutiger Machtkampf zwischen De-facto-Machthaber Abdel-Fattah al-Burhan und seinem einstigen Stellvertreter Mohamed Hamdan Daglo, der die RSF kommandiert. In Darfur ist der Konflikt massgeblich von ethnischen Faktoren geprägt, die eng mit Fragen von Landrechten, Ressourcenverteilung und politischer Marginalisierung verwoben sind. Dabei geht es vor allem um Konkurrenz um Land und Wasser zwischen traditionell nomadischen, arabischen Volksgruppen und sesshaften, nicht arabischen Gruppen.
Die RSF ist eine Nachfolgeorganisation arabischer Milizen und geht Berichten von UN-Vertretern zufolge gezielt gegen den nicht arabischen Teil der Bevölkerung vor.
Experten befürchten eine massive Verschlechterung der Lage für die noch in Al-Faschir lebenden geschätzt rund 300.000 Zivilisten. Die Grossstadt war mehr als 500 Tage von der RSF belagert worden. Die Miliz hatte verhindert, dass Lebensmittel und Hilfsgüter die hungernden Menschen erreichen. Die UN beschreiben die Lage in dem Land als die grösste humanitäre Krise der Welt.
Zehntausende fliehen vor Gefechten
Nach Angaben der Welthungerhilfe spitzt sich die humanitäre Lage in und um Al-Faschir weiter dramatisch zu. Zehntausende Menschen seien demnach allein in den vergangenen Tagen vor den Gefechten geflohen. Viele von ihnen suchten Schutz in den umliegenden Dörfern oder müssen ohne Hilfe ausharren. Der Sudan leidet aktuell unter der grössten humanitären Krise weltweit. Allein in Nord-Darfur sind nach Angaben der Welthungerhilfe mehr als neun Millionen Menschen dringend auf Hilfe angewiesen.
Experten kritisieren, dass westliche Regierungen bislang nur Appelle an die RSF richteten und keine Sanktionen gegen sie unterstützende Staaten verhängten. «Es ist ein weiterer Freibrief an die RSF, an ihre Unterstützer in den Vereinigten Arabischen Emiraten, dass sie solche Massenhinrichtungen und ethnische Säuberungen durchführen können, ohne mit internationalen Massnahmen rechnen zu müssen», sagte Annette Hoffmann von der Denkfabrik Clingendael Institut im ZDF.
Die VAE weisen eine Einmischung in den Konflikt zurück. Das «Wall Street Journal» berichtete allerdings unter Berufung auf US-Geheimdienste, die VAE hätten in diesem Jahr zunehmend Waffen an die RSF geliefert, darunter moderne chinesische Drohnen, aber auch Maschinengewehre, Fahrzeuge, Artillerie, Mörser und Munition. Dies sei das jüngste Beispiel dafür, wie die Emirate ihre Macht ausspielten, um ihre Interessen durchzusetzen.










