Tausende Schwarze wurden in den USA noch vor weniger als hundert Jahren brutal ermordet. Doch die Zeit wurde nie aufgearbeitet – und kommt jetzt wieder hoch.
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Ein Postkartenfoto zeigt einen Lynchmord in den USA 1930. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In Kalifornien wurden zwei tote Schwarze am Bäumen erhängt aufgefunden.
  • Die Familien zweifeln an einem Selbstmord, nun nimmt das FBI die Untersuchung auf.
  • Der Fall weckt Erinnerungen an die mehr als 4400 Lynchmorde.
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Die beiden Afroamerikaner Malcolm Harsch (†38) und Robert Fuller (†24) wurden in Südkalifornien an Bäumen erhängt aufgefunden. Während die lokale Polizei zuerst von Suizid ausging, hat nun die US-Bundespolizei Ermittlungen aufgenommen und untersucht, ob ein rassistisches Verbrechen vorliegt.

Black Lives Los Angeles
Inmitten der Proteste gegen Rassismus muss die Polizei nun genau hinschauen, fordern Demonstranten. - keystone

Die Angehörigen der beiden kurz nacheinander aufgefundenen Toten äussern starke Zweifel an einem Suizid. Beide seien nicht gefährdet gewesen und hätten einen starken Überlebenswillen gehabt, schreibt die «Los Angeles Times». «Wir wollen Gerechtigkeit, keine angenehmen Entschuldigungen», werden die Angehörigen zitiert.

Die Zeit der Lynchmorde

Der Fall weckt Erinnerungen an eine Zeit, die in den USA noch tief im Gedächtnis vieler hängt. Nach dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) wurde die Sklaverei verboten. Die ehemaligen Sklaven waren nun theoretisch frei, faktisch aber mit deutlich weniger Rechten und Chancen zum Überleben ausgestattet.

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Mitglieder des rassistischen Ku-Klux-Klans in den USA bei einer Parade nach dem Zweiten Weltkrieg. - Keystone

In dieser Zeit bis nach dem Zweiten Weltkrieg forderte die Lynchjustiz an Afroamerikanern in den USA mehr als 4400 bestätigte Opfer, wie eine grosse Studie der Organisation Equal Justice Initiative (EJI) zeigt. Der Report beschreibt die Zeit als «zweite Sklaverei».

Ein Lynchmord ist eine aussergerichtliche Hinrichtung einer Person. Das Opfer wurde meist eines Verbrechens oder Vergehens beschuldigt und dafür ohne Gerichtsverhandlung ermordet.

Ein «gesellschaftliches Ereignis»

Entgegen einer weit verbreiteten Vorstellung geschahen die Lynchmorde nicht in der Dunkelheit der Nacht, ausgeführt von offensichtlichen Rassisten wie dem Ku-Klux-Klan. Die Exekutionen der Schwarzen geschahen in aller Öffentlichkeit, von lokalen Zeitungen angekündigt und von einem wütenden Mob «normaler» Bürger ausgeführt. Die Gewaltexzesse wurden dabei oft von einem Picknick begleitet und schliesslich als Postkartenmotiv festgehalten.

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Die Anwesenden posieren vor zwei 1920 getöteten Schwarzen. - Keystone

So zum Beispiel beim Fall Luther Holbert, der 1904 in Mississippi einen weissen Farmer getötet haben soll. Der wütende Mob der Kleinstadtbürger fing nicht nur ihn, sondern auch eine schwarze Frau ein, von der man annahm es sei seine Frau. An einen Baum gefesselt wurden ihnen die Finger abgehackt und als Souvenir verteilt. Der Sadismus sollte auch die Afroamerikanische Bevölkerung einschüchtern.

Im Report der EJI heisst es weiter: «Die Anwesenden weissen Männer, Frauen und Kinder verfolgten das Geschehen und genossen dabei gefüllte Eier, Limonade und Whiskey in einer picknickartigen Atmosphäre». Dies berichten Augenzeugen.

Tötungen ohne Beweis

Doch es genügte schon weit weniger als ein Mordverdacht, um einen Schwarzen zu lynchen. Oftmals wurden Schwarze von weissen Mädchen und Frauen der Belästigung beschuldigt und dafür erhängt und gefoltert. Die Beschuldigungen stellten sich später als erfunden heraus.

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Den Lynchmorden wohnten hunderte Menschen bei, hier ein Fall von 1893 in Texas. - Library of Congress

Es genügte bereits seine Stimme gegen die Ungerechtigkeit zu erheben. Als 1918 Mary Turner eine Klage gegen die Männer anstrebte, die ihren Mann gelyncht hatten, drang ein wütender Mob in ihr Haus ein und verschleppte sie. Die hochschwangere Frau wurde kopfüber von einer Brücke gehängt, erschossen und schliesslich angezündet.

Eine Aufarbeitung fehlt bis heute

1998 beschied die Gemeinde einer Historikerin, es habe hier nie Lynchmorde gegeben. Der Report der Equal Justice Initiative konnte das Gegenteil beweisen, nun steht am Ort des Grauens eine Gedenktafel.

Die USA sind eigentlich kein Ort des Vergessens, stehen doch überall Statuen und Gedenktafeln – im Süden oftmals auch für die Verfechter der Sklaverei. Doch eine Erinnerung an die Opfer der Lynchmorde fehlt. «In diesem Kontext ist das Fehlen von Denkmälern ein starkes Statement über unser Versagen», steht im EJI-Bericht. Der US-Senat hat die Studie anerkannt und sich für die Zeit entschuldigt.

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Die Statue des für die Sklaverei kämpfenden Südstaatengenerals Robert Lee. - Keystone

«Wir haben nicht reagiert, als wir am meisten gebraucht wurden», steht in der Entschuldigung. Die Täter wurden auch aufgrund der Gesetzeslage so gut wie nie angeklagt. Über 100 politische Vorstösse wurden dazumal eingereicht, nur drei kamen durch das Repräsentantenhaus, keiner durch den Senat.

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