Dissoziation verstehen – was im Kopf passiert

Kiran Iqbal
Kiran Iqbal

Du hast das Gefühl, dich von der Realität abzukoppeln? Solche Momente können ein Warnzeichen für eine ernsthafte seelische Belastung sein.

Mann, Dissoziation
Dissoziation dient oft als Bewältigungsmechanismus, um überwältigenden Stresssituationen zu entkommen. - Depositphotos

Ein Streit, ein Unfall oder eine schockierende Nachricht – und plötzlich scheint alles wie durch eine Glasscheibe zu passieren. Diese innere Distanz nennt sich Dissoziation.

Die innere Distanz ist eigentlich ein Schutzmechanismus des Gehirns, der in Momenten grosser Belastung hilft, Schmerz und Angst kurzfristig auszublenden. Kurze Episoden sind deshalb vôllig normal.

Mädchen, Hände, Angst
Genetische Unterschiede spielen eine Rolle bei Dissoziation, doch Umweltfaktoren wie Traumata sind bei pathologischer Dissoziation oft noch wichtiger als vererbte Neigungen. - Depositphotos

Wenn solche Zustände aber häufiger auftreten, länger dauern oder den Alltag bestimmen, kann eine dissoziative Störung vorliegen. Dann lohnt sich professionelle Unterstützung.

Die häufigsten Formen der Dissoziation

Dissoziation zeigt sich unterschiedlich. Manche Menschen spüren sich selbst kaum mehr (Depersonalisation), andere empfinden die Umgebung als unwirklich (Derealisation).

Eine häufige Form ist die dissoziative Amnesie: Erinnerungen an belastende Erlebnisse verschwinden zeitweise. Besonders komplex ist die dissoziative Identitätsstörung, früher als «multiple Persönlichkeit» bekannt.

Dabei wechselt die Wahrnehmung zwischen verschiedenen Persönlichkeitszuständen. Solche Störungen entstehen meist nach schweren Traumata in der Kindheit.

Typische Auslöser und Ursachen

Die Wurzeln liegen oft in unbewältigtem Stress oder traumatischen Erfahrungen. Missbrauch, Gewalt, Vernachlässigung oder schwere Verluste können Auslöser für diese unwillkürliche Distanznahme sein.

Auch Unfälle oder Naturkatastrophen führen manchmal zu dissoziativem Erleben. Forschungen zeigen, dass sich durch derartite Erlebnisse die Aktivität bestimmter Hirnregionen verändert – vor allem in Amygdala und Hippocampus, die Emotionen und Erinnerungen steuern.

Hier liegt die Erklärung dafür, warum Betroffene oft gleichzeitig überfordert und taub wirken.

Warnzeichen im Alltag erkennen

Wer häufiger Phasen erlebt, in denen Zeit oder Realität verschwimmen, sollte aufmerksam werden. Typisch sind Konzentrationsprobleme, Erinnerungslücken oder das Gefühl, sich selbst fremd zu sein.

Manche wirken dabei abwesend, verlieren das Zeitgefühl oder vernachlässigen Routinen. Auch starke Stimmungsschwankungen, sozialer Rückzug oder unerklärliche Angstzustände gehören zu möglichen Anzeichen.

Psychotherapie
Mit gezielter Therapie lassen sich dissoziative Symptome stark reduzieren – vollständige Heilung ist selten, aber ein erfülltes Leben ist möglich. - Depositphotos

Kinder zeigen Dissoziation oft durch Tagträumen, plötzliche Gedächtnislücken oder verändertes Verhalten.

Wege zurück ins Hier und Jetzt

Eine Behandlung hilft, das Gefühl der Kontrolle zurückzugewinnen. Psychotherapeutische Verfahren wie kognitive Verhaltenstherapie, EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) oder Achtsamkeitsübungen stärken die Wahrnehmung für den Moment.

Auch Medikamente gegen Angst oder Depression können unterstützen. Alltagstechniken wie regelmässige Bewegung, strukturierte Tagesabläufe und genügend Schlaf wirken stabilisierend.

Beim ersten Verdacht ist es auf jeden Fall wichtig, Hilfe anzunehmen – sei es beim Hausarzt, Psychotherapeuten oder über Krisenhotlines.

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