Ein Trauma ist eine schwere seelische Verletzung. Was passiert, wenn diese nicht bewältigt wird? Wer Kind solchen Elternteils ist, weiss: Es wird vererbt.
Gewalt Erfahrung Trauma Mensch
Gewalt gehört zu den schlimmsten Erfahrungen, die ein Mensch machen kann. Wird sie nicht verarbeitet, kann ein Trauma die Folge sein. - Pexels
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Das Wichtigste in Kürze

  • Als Trauma bezeichnet man eine tiefgreifende seelische Verletzung.
  • Bleiben solche Verletzungen unverarbeitet, können sie an Kinder und Enkel vererbt werden.
  • Zur Heilung «transgenerationaler Traumata» braucht es Mut, Vertrauen und offene Gespräche.

Da ist die Lehrerin, die, wohlbeleibt und mit gutem Einkommen, in ihrem Garten täglich schuftet und Kartoffeln anbaut, als hinge ihr Überleben davon ab – wie das im Zweiten Weltkrieg war, ihre Eltern auf der Flucht, Äcker fremder Gegenden und Bauern ihre einzige Rettung durch einen harten Winter.

Da ist der alte Mann, der seinen Wohnort gewechselt hat, weil er den Klang der Düsenjäger nicht ertragen konnte, die in seiner Heimat jahrelang wöchentlich trainierten – geboren wurde er in einer Bombennacht.

Und da sind die vielen anderen, die unter Zwängen leiden, Albträumen oder dunklem Schweigen in der Familie – und ahnen, dass diese Symptome einen Grund haben, der ausserhalb ihrer selbst liegt. Nicht selten: traumatische Erfahrungen. Aber nicht eigene – sondern der Eltern und Grosseltern.

Was versteht man unter einem Trauma?

Ein Trauma ist eine tiefgreifende seelische Verletzung. Ihre Ursache ist oder sind meist extreme psychische und/oder körperliche Belastungen. Es geht um eine psychische Ausnahmesituation.

Wenn der Betroffene diese Belastungen nicht verarbeiten kann, dann bricht sich das Trauma eine andere Bahn. Es drückt sich körperlich aus. Ängste, Depressionen, Schlafstörungen, Flashbacks oder Schuldgefühle sind typische Symptome.

Das Trauma selbst kann, so verdrängt, über Jahre die Betroffenen im Hintergrund der Seele begleiten und quälen. Und so kann es passieren, dass er das Trauma weitergibt: an nachfolgende Generationen. Meist die Kinder, oft gar auch die Enkel. Bei denen sich ähnliche Symptome zeigen, ohne ersichtlichen Grun.d

Weitergabe per Genetik und soziale Interaktion

Die Wissenschaft nennt dieses Phänomen: «transgenerationales Trauma». Das Vererben geschieht, so die Vermutung, zum einen per Genetik, zum anderen in der Interaktion betroffener Familienmitglieder mit ihren Kindern und Enkeln von klein auf.

Traumata Studie Lausanne Genf
Wie beispielsweise Mütter Elemente unverarbeitete Traumata an ihre Kinder weitergeben können, hat eine Studie der Universitäten Lausanne und Genf im 2022 aufgezeigt. - Pexels

Die Forschung dazu steckt selbst noch in den Kinderschuhen. Eine Studie der Universitäten Lausanne und Genf («Families With Violence Exposure and the Intergenerational Transmission of Somatization») aus dem Jahr 2022 hat aber bereits direkt Aufschluss über die Ursache psychosomatischer Symptome bei Kindern gegeben, deren Mütter traumatische Kriegs- und Gewalterfahrungen gemacht hatten.

Miteinander das Unaussprechliche in die Freiheit entlassen

Zur Behandlung solcher vererbter Traumata steht deshalb noch keine spezifische Therapie zur Verfügung. Einzelne Therapeuten bieten jedoch bereits Unterstützung im Rahmen der Erkenntnis bisheriger Traumatherapien an.

Mindestens ebenso wichtig und hilfreich ist jedoch, in der Familie anzufangen, verborgenen, vergrabenen und verschwiegenen Wahrheiten auf den Grund zu gehen.

erzählen zuhören intergenerational Trauma
Einander erzählen und zuhören, miterleben und annehmen: das sind wichtige Elemente der Heilung intergenerationaler TRaumata. - Pexels

Ein Ambiente des Vertrauens und Erzählen statt eine auf Details konzentrierte Analyse sind gute Voraussetzungen für erste Schritte. Ältere Generation sollten dabei ebenso sprechen und angehört werden wie Kinder und Kindeskinder.

Bestimmte Formate oder Elemente wie Schreiben, Klänge, Rituale oder andere Ausdrucksarten spiritueller Traditionen können gleichzeitig dem Ungesagten Raum und Ort geben wie auch helfen, auszuhalten, was über einen selbst hinausgeht – und in der Gemeinschaft wieder neue Kraft und Lebensmut zu finden.

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