Ford Focus ST: heisser Alltagssportler

Audi hat es vorgemacht, Mercedes nun nachgezogen: mehr als 400PS in der Kompaktklasse. Aus den kleinen und erschwinglichen Sportmodellen sind schwere, technikbeladene Edelrenner geworden. Wenn es kein Allradantrieb sein darf, dann müssen wenigstens Rundenrekorde und Semislicks sein.

Der neue Ford Focus ST bricht aus diesem Trend aus. Ganz bewusst bleibt er nicht nur in Sachen Leistung im Rahmen, sondern auch beim Verbrauch. Genau deshalb wird er auch der einzige Sport-Focus bleiben. Denn die strengen EU-Regularien knipsten der Entwicklung eines stärkeren RS-Modells das Licht aus.

Doch man muss sich deshalb nicht grämen. Denn der ST, der übrigens auch als Diesel bestellbar ist, macht eine sehr gute Figur. Mit 2,3 Litern Hubraum verfügt er über das gewissen Mehr, dass ihn überraschend klar von der Konkurrenz abhebt.

Wenn man von der grellen Farbe des Testfahrzeugs absieht, ist der Ford Focus ST sehr zurückhaltend gestaltet. Zwar trägt er alle Insignien der Macht, doch Unbedarften fällt das kaum auf. Der Maschendraht-Kühlergrill, die grossen Felgen, die ausgestellten Schweller, der kecke Dachspoiler und der Doppelrohrauspuff – wirkungsvoll, aber doch dezent.

Gleiches gilt für den Innenraum, der mit sportlichen Details garniert wurde, sich im Gesamten aber dennoch dem Nutzwert verschreibt. Das Platzangebot ist vorne wie hinten grosszügig, sogar fünf Personen können gut auf die sportliche Reise gehen. Natürlich sitzt es sich in der ersten Reihe am besten, vor allem weil die Recaro-Sportsitze herzhaft zupacken.

Durch die entsprechend gute Anbindung des Fahrers an das Chassis kommt die Abstimmung des Ford Focus ST besonders zur Geltung. Schon im Standard-Modus ist das Fahrwerk sehr mitteilsam, bleibt aber komfortabel. Erst in den schärferen Modi wird es zunehmend straffer. Der Track-Modus ist dann nicht mehr Schwiegermutter-kompatibel.

Doch gerade hier zeigt sich die Feinfühligkeit in der Abstimmung des Ford Focus ST am klarsten. Wo andere einen Rennstreckenmodus nur für die brutal harte Show spazieren fahren, gewinnt der Ford im schärfsten Setup. Mit der präzisen Lenkung und dem transparenten Fahrwerk ist die Vorderachse des Kölners perfekt zu nutzen.

Das liegt auch am cleveren Sperrdifferential an der Vorderachse. Ein elektrohydraulisch betätigtes Kupplungswerk ist in der Lage das Moment perfekt zwischen den Rädern zu verteilen. Bei Bedarf bis zu 100% auf nur einer Seite. Das lässt auch in engen Kehren keinen Schlupf zu und die 280PS gehen verlustfrei auf die Strasse.

Entsprechend giftig fährt der Ford Focus ST bei Bedarf. Man muss das Lenkrad ordentlich packen, wenn man gegen die Sperre arbeiten muss. Doch das Ergebnis ist alle Mühe wert. Er hakt sich förmlich in die Biegung ein, zerrt bei vollem Gaseinsatz willig in die Kurve und beschleunigt gierig raus.

Nichts wird dabei elektronisch verwässert, ausgebügelt oder präventiv verhindert. Das Heck arbeitet im Track-Modus übrigens wunderbar mit, ohne für böse Überraschungen zu sorgen. Zwischengas gibt er dann beim Herunterschalten übrigens auch automatisch.

Dabei ist die Akustik zu bemerken, denn die 300 Kubikzentimeter Vorsprung vor GTI & Co machen sich auch hier bemerkbar. Denn der Ford Focus ST klingt erfreulich kernig, bei vollem Gaseinsatz wunderbar wild. Was überhaupt gut zu seiner generellen Drehfreude passt.

Kurz: der Ford Focus ST ist ein gelungenes Kompaktsportler. Er meistert alle Alltagsaufgaben klaglos und gut, um dann am Sonntagmorgen ebenfalls voll zu überzeugen. Nur eines muss man bedenken: wer ihn oft voll fordert, der muss an der Tankstelle gewisse Opfer bringen.

Modell: Ford Focus ST (Performance Pack)
Motor: Vierzylinder-Reihe, 2‘261ccm
Leistung: 280PS (206kW)
Drehmoment: 420Nm bei 3‘000-4'000U/min
Antrieb: Frontantrieb, Sechsgang-Schaltgetriebe
Verbrauch (NEFZ): 7,9 l Benzin/100km
Testverbrauch: 9,4 l Benzin/100km
Beschleunigung (0 – 100km/h): 5,7s
Höchstgeschwindigkeit: 250km/h (abgeregelt)
(Abmessungen (L/B/H): 4,39m/1,82m/1,46m
Gewicht: 1'508kg
Grundpreis: 42‘450 CHF (43‘750 CHF mit Performance Pack)