Am zweiten Tag des Prozesses um die Tötung einer Frau im Mai 2016 hat der Verteidiger am Dienstag vor dem Bezirksgericht Kreuzlingen einen unbekannten Dritten als möglichen Täter ins Spiel gebracht.
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Beschuldigt ist ein heute 62-jährige Deutscher, der zum Tatzeitpunkt auf Teneriffa lebte. Er soll am Pfingstsamstag 2016 bei der See-Rhein-Badi in Tägerwilen TG seine in Konstanz wohnende 38-jährige langjährige Geliebte gewürgt und mit einem Stein erschlagen haben. Am Sonntag fand man die Leiche am Rheinufer. Am Dienstag wurde der Mann am Flughafen Barcelona verhaftet.

Der Verteidiger forderte einen vollumfänglichen Freispruch seines Mandanten und eine Haftentschädigung für ihn. Es gebe «erhebliche Zweifel» an der Darstellung der Staatsanwaltschaft.

Das Säen von Zweifeln ist die Hauptaufgabe der Verteidigung in einem Indizienprozess. Eine Verurteilung darf nur erfolgen, wenn das Gericht keine vernünftigen Zweifel an der Darstellung der Anklage hat.

Unstimmiger Zeitablauf

Im zeitlichen Ablauf am Tatabend gebe es «wesentliche Ungereimtheiten zu Indizien, Fakten und Zeugenaussagen», sagte der Verteidiger. Die Zeitabläufe nach Schilderung der Anklage seien «unwahrscheinlich bis unmöglich».

Er stützte sich auf Zeugenaussagen, wonach das Paar um 21.50 Uhr ins Lokal kam und es nach rund halbstündigem Aufenthalt nacheinander verliess. Als die Frau ging, sei der Mann schon weg gewesen.

Die Frau sei zu Fuss Richtung Rhein gegangen. Einige Minuten später habe die Wirtin vor dem Haus eine Zigarette geraucht - und vom Rhein her Schritte gehört. Männerschritte. Die nicht hinkten, wie es der Beschuldigte getan habe, als er ins Lokal kam - der Unbekannte.

Keine Finanzsorgen

Gemäss Verteidiger wurde die Tat erst nach 22.30 Uhr verübt. Damit falle sein Mandant als Täter ausser Betracht. Dessen Handy sei nämlich um 22.30 Uhr von einer Mobilfunkantenne in Hefenhausen TG - einige Autominuten entfernt - erfasst worden. Zudem habe es kein finanzielles Motiv für die Tat gegeben - der Beschuldigte habe auf Teneriffa durchaus sein Auskommen gehabt.

Der Staatsanwalt hatte einen Zeitablauf geschildert, wonach die Tötung etwas früher erfolgte und der Beschuldigte danach «gegen 22.30 Uhr» den Grillplatz verlassen habe. Die Gerichtsmedizinier hatten keinen exakten Todeszeitpunkt nennen können.

Verletzte Unschuldsvermutung

Im Übrigen zerzauste der Verteidiger das Vorgehen der Staatsanwaltschaft während den Ermittlungen. Es habe unzulässige Unterstellungen und Suggestivfragen gegeben. Die Unschuldsvermutung sei «krass verletzt» worden. Dabei ändere das anfängliche, später zurückgezogene Geständnis des Mannes nichts an diesem Prinzip.

Bei den psychiatrischen Gutachtern ortete der Verteidiger eine «skandalöse Einstellung» und Voreingenommenheit. Das Gutachten hatte den Mann als kaltblütige, manipulative Persönlichkeit mit schlechten Behandlungsaussichten und hohem Rückfallrisiko beschrieben.

Anklage: «Lebenslänglich»

Der Staatsanwalt hatte am Montag eine lebenslängliche Freiheitsstrafe wegen Mordes sowie Verwahrung gefordert. Laut seiner Darstellung hatte der Beschuldigte die Frau getötet, um an das Geld aus einer Lebensversicherung zu kommen, die er Monate zuvor für sie abgeschlossen habe.

Unter anderem stützte sich der Ankläger auf die Datenspur, die der Beschuldigte im Internet, im Mobilfunknetz, mit Kreditkarten und auf Videoüberwachungen hinterlassen hatte. Sie dokumentierte etwa die zumindest ungewöhnliche Autofahrt von Barcelona zum Bodensee für ein rund einstündiges Treffen und die sofortige Rückfahrt nach Barcelona.

Dazu kamen der Abschluss der Lebensversicherung, teils vom Wasser zerstörte DNA-Spuren unter den Fingernägeln der Toten, die dem Beschuldigten und allenfalls seinem damals 17-jährigen Sohn zugewiesen werden konnten. Zudem suchte der Mann im Internet schon nach Polizei-Mitteilungen über das Tötungsdelikt, bevor die Öffentlichkeit informiert worden war.

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