Die Sozialhilfebezügerin weigerte sich, nach rund 20 Jahren aus ihrer Wohnung mit einem Mietzins von 910 Franken in eine günstigere Wohnung für 700 Franken Miete umzuziehen.
Konferenztisch (Symbolbild)
Konferenztisch (Symbolbild) - Keystone
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Eine Sozialhilfebezügerin, die nicht in eine günstigere Wohnung umziehen will, muss eine Kürzung der Wohnkosten akzeptieren. Weitere Sanktionen sind aber rechtlich nicht haltbar, hält das Berner Verwaltungsgericht fest und pfeift die Vorinstanz zurück.

Das Gericht befasste sich in dem am Freitag publizierten Urteil mit der Beschwerde einer 50-jährigen Frau aus Nidau. Die Sozialhilfebezügerin weigerte sich, nach rund 20 Jahren aus ihrer Wohnung mit einem Mietzins von 910 Franken in eine günstigere Wohnung für 700 Franken Miete umzuziehen.

In der Folge kürzte die Gemeinde die anrechenbaren Wohnkosten im Sozialhilfebudget um die Differenz von 210 Franken. Zudem bestraften die Gemeindebehörden die Frau für ihre Weigerung mit einer Kürzung des Grundbedarfs um 15 Prozent und der Streichung situationsbedingter Leistungen und Integrationszulagen für die Dauer von zwölf Monaten.

Das Regierungsstatthalteramt Biel bestätige die Sanktionen, kürzte sie aber aus Gründen der Verhältnismässigkeit auf eine Zeitdauer von sechs Monaten. Aus Sicht des Verwaltungsgerichtes geht aber auch diese Bestrafung zu weit: Mit der Kürzung der Wohnkosten sei die von der Gemeinde zu Recht angestrebte Kostensenkung bereits erfüllt worden.

Wolle die Frau in der teureren Wohnung bleiben, so habe sie diese Differenz aus ihrem Grundbedarf zu bestreiten. Es bestehe kein öffentliches Interesse daran, sie mit zusätzlichen Sanktionen zu einem Verlassen der Wohnung zu zwingen, halten die Verwaltungsrichter in der Begründung fest.

Dies sei nur dann angebracht, wenn sich in Zukunft zeigen sollte, dass die Sozialhilfebezügerin nicht in der Lage sei, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auszukommen. Die monatlichen Mehrkosten von 210 Franken seien zwar «nicht unbedeutend», im Rahmen ihres monatlichen Budgets nicht zum vornherein untragbar.

Wohnungswechsel wäre zumutbar

Abgeblitzt ist die Beschwerdeführerin aber mit der Forderung, ihr könne wegen ihres «emotional instabilen Zustandes» kein Wohnungswechsel zugemutet werden. Eine vertrauensärztliche Untersuchung kam zum Schluss, dass die gegen den Auszug vorgebrachten Argumente nicht psychiatrisch relevant seien.

Aus Sicht der Verwaltungsrichter ist ein unfreiwilliger Umzug nach rund 20 Jahren mit einer «gewissen Härte» verbunden. Doch lasse dies nicht auf eine Unzumutbarkeit schliessen, zumal keine familiären oder persönlichen Gründe gegen einen Umzug sprächen. Auch müsste die Frau das vertraute Wohnquartier nicht verlassen.

Der Entscheid des kantonalen Verwaltungsgerichtes kann noch an das Bundesgericht weitergezogen.

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