Das Urteil wird später veröffentlicht, wie die Gerichtspräsidentin am Mittwoch sagte.
Konferenztisch (Symbolbild)
Konferenztisch (Symbolbild) - Keystone

Das Thurgauer Obergericht hat sich mit einem bizarren Tötungsdelikt an einer jungen Frau befasst. Der zu einer neunjährigen Freiheitsstrafe verurteilte Vater des Opfers verlangte eine Strafreduktion, die Staatsanwaltschaft eine Verschärfung.

Das Urteil wird später veröffentlicht, wie die Gerichtspräsidentin am Mittwoch sagte.

Der heute knapp 52-jährige Mann hatte seine erwachsene Tochter Anfang 2016 in der Wohnung eines Bekannten in Wagenhausen TG brutal zu Tode getrampelt. Er wollte sie nach eigenen Angaben von einem Dämon befreien. Die geistig behinderte Tochter hatte ihren leiblichen Vater erst zweieinhalb Jahre vor der Tat kennengelernt. Beide waren in der Mittelalterszene aktiv.

Zum tödlichen Vorfall kam es am Abend des 2. Januar 2016, während der Wohnungsinhaber ausser Haus war. Der Vater der jungen Frau wurde noch in der Tatnacht festgenommen und sitzt seither in Haft.

Das Bezirksgericht Frauenfeld sprach den Deutschen im März 2018 wegen eventualvorsätzlicher Tötung schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren. Der Mutter und dem Halbbruder des Opfers, die beide in Deutschland leben, sprach das Gericht Genugtuungen und Schadenersatz von insgesamt 70'000 Franken zu.

Sterbende geschändet

Von den Anklagepunkten Schändung und Störung des Totenfriedens sprach das Gericht den Mann frei. Es glaubte ihm, dass er mit den sexuellen Manipulationen an der Sterbenden deren «Basis-Shakra» stimulieren und sie damit wiederbeleben wollte.

Das Urteil wurde sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch von der Verteidigung angefochten. Der Staatsanwalt verlangte «mindestens 13 Jahre» Freiheitsentzug. Statt Freisprüche wegen Schändung - alternativ Störung des Totenfriedens - seien Schuldsprüche zu fällen.

Die Verteidigung beanstandete einzig das Strafmass. Der Beschuldigte anerkannte sowohl den Schuldspruch als auch die Zivilleistungen. Neun Jahre seien aber klar zu viel - dem Verschulden seines Mandanten angemessen seien 4,5 Jahre Freiheitsentzug.

Dämon austreiben

Der Rechtsvertreter von Mutter und Halbbruder der Getöteten forderte, der Beschuldigte sei «mit aller Härte», die das Strafrecht zulasse, zu betrafen. Die erstinstanzliche Strafe sei «bei weitem zu mild» ausgefallen.

In der Untersuchung hatte der Beschuldigte mit einer Strohpuppe demonstriert, wie er der Tochter habe einen Dämon austreiben wollen. Auf dem Video, das vor Bezirksgericht gezeigt worden war, sah man, wie der Mann mit aller Wucht auf dem zarten Körper der am Boden liegenden, kleinwüchsigen Frau herum getrampelt war. Sie erlitt schwerste innere Verletzungen.

«Reanimation ist Schutzbehauptung»

Laut dem Staatsanwalt gibt es keinerlei Gründe für den Freispruch vom Vorwurf der Schändung. Dass der Beschuldigte damit seine Tochter habe reanimieren wollen, sei eine reine Schutzbehauptung. Es gebe keine glaubhaften Rechtfertigungsgründe für die Verletzung der sexuellen Integrität der jungen Frau.

Er habe selbst gesagt, er verfüge über ein gewisses medizinisches Wissen sowie über Grundkenntnisse der Reanimation. Weder in der Schul- noch in der Alternativmedizin gälten jedoch sexuelle Handlungen als Wiederbelebungsmassnahmen. Es sei deshalb völlig unglaubhaft, dass er diese Manipulationen als effektives Wiederbelebungsmittel betrachtet habe.

Die Tötung sei zwar als eventualvorsätzlich eingestuft worden - also nicht beabsichtigt, aber in Kauf genommen. Sie weise aber Mordkomponenten aus, sagte der Staatsanwalt. Es sei zudem völlig unklar, weshalb der Mann es abgelehnt habe, den Rettungsdienst zu alarmieren - obwohl ihm sein Kollege per SMS dazu geraten habe.

Verteidigung: «Lebenslange Schuld»

Laut dem Verteidiger hatte das Bezirksgericht Faktoren zu Gunsten des Beschuldigten zu wenig berücksichtigt. Zwar werde er einmal seine Strafe abgesessen haben. Er werde aber sein Leben lang das Bewusstsein mit sich herumtragen müssen, am Tod seiner Tochter schuld zu sein.

Dass sein Mandant den Rettungsdienst nicht gerufen habe, erklärte der Verteidiger mit einem Schockzustand. Er habe irrtümlich geglaubt, mit seinen Manipulationen das Leben der Tochter retten zu können. «Er handelte, wie er es als richtig erachtete.»

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