Mütter diskriminiert: Muss die Lohndebatte neu geführt werden?

Bei Unverheirateten existieren kaum geschlechtsbedingte Lohnunterschiede. FDP-Nationalrat Marcel Dobler verlangt eine genaue Analyse. EKF und Bund winken ab.

Gemäss einer neuen Grafik sind die Lohnuterschiede zwischen den Geschlechtern bei unverheirateten Menschen verschwindend klein. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Neue Grafiken zeigen: Geschlechtsbedingte Lohnunterschiede bei Unverheirateten sind klein.
  • Nationalrat Marcel Dobler verlangt nun eine weiterführende Analyse von Lohnunterschieden.
  • Es brauche Massnahmen und keine neue Statistiken, erklärt Bettina Fredrich von der EKF.

Neue Grafiken vom Bundesamt für Statistik (BFS) befeuern die Debatte um die Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern: Wie der «Nebelspalter» und der «Tages-Anzeiger» berichten, ist vor allem der Zivilstand für die Kluft zwischen Männer- und Frauenlöhnen entscheidend.

Anders als bei verheirateten Berufstätigen sind bei Ledigen die Lohnunterschiede nämlich verschwindend klein. Wenn Frauen durchschnittlich weniger Lohn erhalten, geschieht dies also möglicherweise nicht, weil sie Frauen sind. Der eigentliche Lohnunterschied existiert offenbar nicht zwischen Männern und Frauen, sondern zwischen Müttern und allen anderen: «Child-Penalty» statt «Gender-Pay-Gap». Muss deshalb die Diskussion um die Lohnungleichheit der Geschlechter anders geführt werden?

Mutterschaft und Heirat sollen in Lohnstatistik einfliessen

Dies fordert zumindest FDP-Nationalrat Marcel Dobler, auf dessen Verlangen das BFS die Grafiken überhaupt erst publiziert hat. Der Bundesrat soll deshalb eine Studie durchführen lassen, um den unerklärten Anteil der Lohnunterschiede zu untersuchen. Dabei seien Faktoren wie Mutterschaft, Erwerbsunterbrüche oder Berufserfahrung zu berücksichtigen, verlangt der St. Galler.

Nein, findet dagegen Bettina Fredrich. Für die Geschäftsleiterin der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen (EKF) handelt es sich dabei nicht um eine neue Erkenntnis: Dass die Mutterschaft erhebliche Auswirkungen auf die Karriere einer Frau haben könne, sei kein Geheimnis.

FDP-Nationalrat Marcel Dobler zu den neusten Daten des BFS bezüglich Lohndiskriminierung. - Screenshot Twitter

Wie auch der Bundesrat lehnt die EKF die parteipolitisch breit abgestützte Forderung Doblers ab: Grundsätzlich habe man zwar ein Interesse daran, in der Lohnanalyse alle relevanten Variablen einfliessen zu lassen. Aber: «Was es wirklich braucht, sind keine neuen Variablen ohne zusätzlichen Erkenntnisgewinn, sondern griffige Massnahmen», erklärt Fredrich.

EKF: Elternzeit, Kita-Plätze und Aufwertung von «Frauenberufen»

In der Schweiz bestehe in Sachen Lohngleichheit nämlich immer noch erheblicher Nachholbedarf. «Schon junge Menschen antizipieren ihre Lebensvorstellung bei der ersten Stellensuche», so Fredrich. Lohnunterschiede würden deshalb bereits früh entstehen, weil Männer und Frauen bei der Stellensuche unterschiedliche Faktoren unterschiedlich gewichteten.

Insbesondere Frauen arbeiten öfters Teilzeit und machen einen Grossteil der Care-Arbeit. (Symbolbild) - keystone

Aus diesem Grund schlägt die Gleichstellungs-Expertin Massnahmen vor, um diese Berufsentscheide zu beeinflussen. So müssten Rollenbilder verändert und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden, insbesondere in männerdominierten Berufsfeldern. Also zum Beispiel eine Elternzeit für Mütter und Väter, um Männer vermehrt in die Care-Arbeit einzubinden.

Überdies müssten Berufe mit hohen Frauenanteilen attraktiver gemacht werden: Aufstiegschancen, Karriereperspektiven und Weiterbildungsmöglichkeiten. Ferner brauche es mehr bezahlbare Kita-Plätze, vorrangig in ländlichen Regionen und mehr Möglichkeiten, Teilzeit zu arbeiten – auch für Männer.

Nationalrätin Flavia Wasserfallen (SP/BE) spricht im Parlament. (Archivbild) - keystone

Ähnliche Töne stimmt SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen an: Es sei die Aufgabe des Parlaments, bessere Rahmenbedingungen für Familien zu schaffen: «Es braucht dringend eine Elternzeit und bezahlbare Kita-Plätze.» Auch die Individualbesteuerung könnte bessere Anreize schaffen, erklärt die Bernerin.

SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr hält wenig von der Lohnanalyse

Dem widerspricht SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr: Sie halte es prinzipiell für unsinnig, diese Fragen zentralistisch dem Bund zuschieben zu wollen. Primär seien es die Familien selbst, die Lösungen suchen müssten, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.

«Wer viel Zeit mit der Familie verbringen will, kann nicht länger im gleichen Ausmass berufstätig sein.» Mütter machten aber auf jeden Fall einen unglaublich wichtigen Job: Dass die Care-Abeit oft als «Nicht-Arbeit» kleingeredet werde, würde der gesellschaftlichen Bedeutung derselben nicht gerecht.

Nationalrätin Diana Gutjahr (SVP/TG) spricht im Parlament. (Archivbild) - keystone

Überdies kann Gutjahr mit der Lohnanalyse prinzipiell nicht viel anfangen: «Unter dem Strich helfen sie niemandem. Sie widerspiegeln die Realität nicht und machen die Menschen nur unzufrieden.» Dies würde sich auch dann nicht ändern, wenn diese Faktoren miteinbezogen würden, erklärt die Thurgauerin.

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Sollten Faktoren wie Mutterschaft, Erwerbsunterbrüche oder Berufserfahrung in die Lohnanalyse einfliessen?

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Als Unternehmerin wisse sie, wie die Statistik zustande kommt. «Keinen Job gibt es zweimal – eine genaue Analyse von Lohnunterschieden ist deshalb gar nicht möglich.» Es sei nicht zielführend, die facettenreichen Probleme der Arbeitswelt durch die einseitige Schablone der Lohnanalyse zu drücken. Der Lohn sei in den allermeisten Fällen von zahlreichen Faktoren abhängig und komme überdies auf Verhandlungsbasis zustande.