Paradoxon der Medienartikel über den Islam
Paradox: Muslime sind Gegenstand zahlreicher Berichte. Wirklich zu Wort kommen sie in den Medien aber nur selten.

Das Wichtigste in Kürze
- In den Medien kommen Muslime selten zu Wort.
- Erstens werden meistens radikalere Islamisten interviewt.
- Zweitens: Viele Medien (Weltwoche, Sonntagsblick, etc.) verfremden Muslime in Artikeln.
Über Muslime wird hierzulande öfters berichtet. Der Fokus liegt dabei aber vor allem auf Themen wie Radikalisierung und Terrorismus. Zu Wort kommen muslimische Akteure in den Medien selten, wie eine Studie der Kommission gegen Rassismus (EKR) zeigt.
Untersucht wurde darin, wie gedruckte Zeitungen und Online-Ausgaben mit der Minderheit der Muslime umgehen. Die am Montag veröffentlichte Studie zeigt Problembereiche auf, die im Zusammenhang mit der starken Zunahme der Berichterstattung stehen, die Distanz gegenüber Muslimen in der Schweiz erzeugen.
Wegen Terrorismus in der Zeitung
Die Vielfalt der Themen, in denen über Muslime berichtet werde, sei hoch. Allerdings zeige sich seit 2015 eine Zunahme der Themen Radikalisierung und Terror (2017: 54 Prozent), insbesondere nach Terroranschlägen. Themen wie gelingende Integration und Alltag sind in der Berichterstattung mit je zwei Prozent marginal.
Die Studie zeigt demnach eine starke Zunahme von Beiträgen, die Distanz gegenüber Muslimen erzeugen: Zwischen 2009 und 2017 stieg deren Anteil von 22 auf 69 Prozent. Dies sei teilweise mit der Konzentration auf die Themen Radikalisierung und Terrorismus erklärbar.
Der Autor der Studie, Patrik Ettinger, betont, dass dies problematisch sei, wenn die Berichterstattung mit Pauschalisierungen verbunden werde. Oft seien Muslime nur Objekt der Berichterstattung: In 55 Prozent wird über sie berichtet, ohne, dass sie selber zu Wort kommen.
In den Medien vertreten seien zudem meist nur Muslime, die polarisierende Positionen vertreten. Hohe Resonanz erzielen wenige Exponenten der mittlerweile geschlossenen Winterthurer An'Nur-Moschee und des Islamischen Zentralrats Schweiz (IZRS) einerseits und anderseits Saïda Keller-Messahli, die sich als Kritikerin der muslimischen Dachverbände in der Schweiz etabliert.
Artikel, die Muslime fremd wirken lassen
Deutliche Unterschiede zeigen sich im Vergleich der Medientitel, die auf verschiedene redaktionelle Strategien zurückzuführen sind. So weisen 84 Prozent der Beiträge in der «Weltwoche» einen Distanz erzeugenden Tenor auf, im «Sonntagsblick» sind dies 63 Prozent und in der «NZZ» sowie «Le Temps» 31 Prozent.
Die EKR befasst sich nicht zum ersten Mal mit der Berichterstattung über Minderheiten. 2013 wurde eine ähnliche Studie über die Roma durchgeführt. 2017 äusserte sich die EKR nach der Veröffentlichung einer Studie über den Anti-Schwarze-Rassismus zur Rolle, die die Medien bei der Bekämpfung von Diskriminierung spielen können.
Die Beobachtungen dieser drei Studien zeigten auf, dass Problembereiche bestehen. Deshalb will die EKR den Dialog mit den Medien zu diesem Thema weiterführen, wobei die Aus- und Weiterbildung sowie die Verantwortung der Medien für die Meinungsbildung im Vordergrund stehen, wie es in der Mitteilung heisst.
Die vom Forschungsinstitut für Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich durchgeführte Studie «Qualität der Berichterstattung über Muslime in der Schweiz» analysiert den Inhalt einer Stichprobe von Zeitungsartikeln, die zwischen 2009 und Mitte 2017 in 18 Printmedien der drei grossen Sprachregionen publiziert wurden.