50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz – ein langer Weg

Als eines der letzten Länder Europas hat die Schweiz 1971 – also vor 50 Jahren – das Frauenstimmrecht eingeführt. Der Weg dorthin hat fast 100 Jahre gedauert.

Auf dem Bundesplatz in Bern demonstrieren am 1. März 1969 mehrere tausend Frauen und Männer für das Frauenstimmrecht und gegen die Unterzeichnung der europäischen Menschenrechtskonvention mit dem Vorbehalt, dass Frauen nicht mitgemeint seien. (Archivbild) - sda

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Schweiz hat 1971 – vor genau 50 Jahren – das Frauenstimmrecht eingeführt.
  • Damit war die Schweiz nebst Liechtenstein und Portugal eines der letzten Länder Europas.
  • Der Kampf für die Gleichberechtigung hat über 100 Jahre gedauert.

50 Jahre ist es her, als in der Schweiz das Frauenstimmrecht eingeführt wurde. Der Kampf der Frauen aber auch Männer um Gleichberechtigung auf politischer Ebene hat über hundert Jahre gedauert. Schauen wir zurück auf das Jahr 1868.

Zu diesem Zeitpunkt hatten Frauen bereits das Recht auf ein vollwertiges Studium. Zudem hatten alle christlichen und jüdischen männlichen Schweizer das Stimmrecht. Bei der Revision der Zürcher Kantonsverfassung forderten erstmals anonyme Frauen das aktive und passive Wahlrecht.

Plakate zur Eidgenössische Abstimmung gegen das Frauenstimmrecht in der Schweiz von 1927. - zvg

Ebenfalls in diesem Jahr wird die «Association internationale des femmes» gegründet. Ihr Ziel ist die soziale, wirtschaftliche, rechtliche und politische Gleichstellung der Frau. Die Forderung nach einer zivilrechtlichen Gleichstellung im Jahr 1874 blieb unbeachtet.

Die erste offizielle Forderung nach dem Frauenstimmrecht

1893 wird dann erstmals offiziell das Frauenstimm- und -wahlrecht von dem schweizerischen Arbeiterinnenverband gefordert. Gleichzeitig kommt es zu Protesten gegen das Berufsverbot nach der Eheschliessung.

1896 gelang der erste kleine Erfolg. Die Frau erhält das passive Wahlrecht bezüglich Schul- und Armenkommissionen und das aktive Wahlrecht in kirchlichen Angelegenheiten. Damit gaben sich viele angesichts der damals «Geschlecht typischen Sphären» zufrieden.

In den kommenden Jahren erscheinen immer wieder Texte, welche die Ziele der Gleichberechtigung definieren. Auch gibt es Berichte mit Titeln wie «Gleiche Pflichten, gleiche Rechte». Viele Frauen fordern zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht das Stimmrecht, sondern viel mehr die Mitsprache. Dies Allerdings nur in «typisch weiblichen Bereichen» wie Kirchen-, Armen-, und Schulpflege.

Schweizerischer Verband für Frauenstimmrecht wird gegründet

1909 wird dann unter der Leitung von einer Frau und zwei Männern der schweizerische Verband für Frauenstimmrecht (SVF) gegründet.

Während des Ersten Weltkriegs ab 1914 erhoffen sich die Frauen, durch ihre Unterstützung mehr Rechte verdienen zu können. Auch übergeben sie dem Bundesrat eine nationale Frauenspende von 1,16 Millionen Franken unter dem Motto: Pflichten erfüllen heisst Rechte begründen. Das Geld kommt allerdings armen Familien zugute und die Forderung bleibt ungehört.

1917 wird die erste geschlechtsbezogenen Lohnuntersuchung in der Schweiz durchgeführt. 1918 kommt es zu einem dreitägigen Landesstreik. Eine Forderung dabei lautet: Frauenstimm- und -wahlrecht auf nationaler und kantonaler Ebene.

Soldaten der Schweizer Armee sind waehrend des Generalstreiks vom 11. bis 14. November 1918 als Sicherungswachen auf den Lokomotiven postiert, um den Bahnverkehr aufrecht zu erhalten. - Keystone

Ende des Jahres reicht der Nationalrat dem Bundesrat zwei Motionen für das Frauenstimm- und -wahlrecht ein. Dieser geht erneut nicht weiter darauf ein.

Erfolgreichste Petition in der Schweizer Geschichte

1929 kommt es zur erfolgreichsten Petition der Schweizer Geschichte. 78'840 Männer und 170'397 Frauen geben ihre Unterschrift für das Frauenstimm- und -wahlrecht ab. Das Parlament unterstützt das Vorhaben, der Bundesrat schenkt dem weiterhin keine Beachtung.

Während des Zweiten Weltkrieges zwischen 1930 und 1945 tut sich wenig rund um das Frauenstimmrecht in der Schweiz. 1948 feiert die Schweiz 100 Jahre Bundesverfassung und ein «Volk von Brüdern». Dieser Ausdruck wird von den Frauen missachtet. Ausser der Schweiz, Liechtenstein und Portugal haben alle europäischen Länder das Frauenwahlrecht eingeführt.

Frauen protestieren für das Frauenstimmrecht in der Schweiz. - Keystone

1951 teilte der Bundesrat mit, dass es für eine nationale Abstimmung über das Frauenstimmrecht noch zu früh sei. Auch die Forderung nach der Anpassung in der Bundesverfassung von «Schweizer» auf «Männer und Frauen» wird abgelehnt.

Männer sollen über Zivilschutzobligatorium für Frauen abstimmen

1957 wollte der Bundesrat dann ein Zivilschutzobligatorium für Frauen einführen. Darüber abstimmen sollten allerdings nur die Männer, was ganze Gemeinden in Protest versetzte. Entgegen dem Verbot aus Bern erlauben einige Gemeinden ihren Frauen die Abstimmung über das Zivilschutzobligatorium.

1958 nimmt sowohl der Ständerat als auch der Nationalrat die Vorlage des Bundesrates an. Sie sieht die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts vor. Bei der Volksabstimmung scheitert die Vorlage mit 66,9 Prozent. Waadt, Genf und Neuenburg führen trotzdem das kantonale Frauenstimmrecht ein.

Schweiz verstösst selbst gegen Menschenrechte

1968 will der Bundesrat seit mehreren Jahren die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) unterzeichnen. Das Problem dabei, die Schweiz verstösst selbst dagegen. Und zwar indem sie der Hälfte der Bevölkerung ein Grundrecht verwehrt. Mit Vorbehalt zur Prüfung beschliesst der Bundesrat einen Beitritt.

Tausende demonstrieren im März 1969 in Bern für die Einführung des Frauenstimmrechts. - keystone

1971 stimmt dann auch endlich das Volk über das Frauenstimm- und -wahlrecht in der Schweiz ab. Die Vorlage wird mit 65,7 Prozent angenommen.