Kommentar: Lässt China Ueli Maurer im Regen stehen?
Das Wichtigste in Kürze
- Aufregung in Bundesbern: Ueli Maurer hat den chinesischen Botschafter besucht.
- Als alt Bundesrat solle man dies nicht, schon gar nicht ohne offizielles Mandat.
- Der Vorfall wirft aber auch ganz andere Fragen auf. Ein Kommentar.
Von «geht gar nicht» über «unklug» bis «unsensibel»: Der Besuch von alt Bundesrat Ueli Maurer in der chinesischen Botschaft in Bern löst eine ganze Handvoll mahnende Zeigefinger aus. Dabei dreht sich die Kritik vor allem um zwei Punkte. Einerseits, dass man mit der undemokratischen Grossmacht China, Stichwort «Menschenrechte», vorsichtig sein müsse. Andererseits, dass sich Maurer hier Dinge anmasse, von denen er als ex-Regierungsmitglied besser die Finger lassen sollte.
Finden Sie, dass das Treffen zwischen Ueli Maurer und dem chinesischen Botschafter problematisch ist?
Beide Punkte haben ihre Berechtigung, aber sind eine zu oberflächliche Betrachtung. Viel wichtiger ist diejenige Frage, die zwar in diversen Medien aufgeworfen, aber kaum beantwortet wird: Was macht Rentner Maurer in der chinesischen Botschaft? Ganz abgesehen davon, ob es falsch, schlau, genehm oder grenzwertig ist: Was ist es?
Blick hinter Flaggen und Polstersessel
Man stürzt sich auf den offiziösen Anstrich, der durch das Foto der chinesischen Botschaft vermittelt wird. Ja, da hat es Flaggen und die Sessel stehen im stumpfen Winkel – fotogen, aber für Gespräche unpraktisch. Und das für ein Ex-Regierungsmitglied! Also, bitte sehr: Wenn Bill Clinton die Schweizer Botschaft in Washington heim- oder besucht, würde sich da jemand an Flaggen und Fotos stören?
Gerade bei Clinton würde man sich ja aber fragen, was der bei «uns» zu suchen hat, wenn er weder ein neues Buch promoten noch politisches Asyl beantragen will. Denn bei ihm verdeckt kein «das tut man doch nicht» den Blick auf allfällige Hintergründe.
Viele Möglichkeiten, kaum taugliche
Denkbar wären in der Causa Maurer verschiedenste Varianten. Eigentlich vermutete man den ex-Finanzminister ja beim Biken in Skandinavien oder beim Bücher lesen am Lagerfeuer. Vielleicht wollte er ja aber auch Trekking in Tibet machen – und bei einem so hochkarätigen Wandergesellen gestalten sich Visums-Formalitäten etwas aufwändiger. Also sass Maurer noch schnell zum Grüntee mit dem Botschafter zusammen und plauderte angeregt mit Gemälde im Rücken für ein Erinnerungsbild.
Oder Maurer führt tatsächlich irgendetwas im Schilde: Verhandlungen für Schweizer Export, Fühler ausstrecken für mehr Menschenrechte beim Trekking in Tibet. Oder er fädelt eine geheime Kooperation von Glencore oder dem Crypto Valley mit dem Land der aufgehenden Sonne ein. Nur will das alles nicht so recht einleuchten, auch wenn die Sonne schon höher am Himmel steht.
Wenn Maurer als Privatperson in der chinesischen Botschaft war, könnte er das ja sagen. Er wäre nicht der erste ex-Bundesrat, der Wanderferien an überraschenden Orten bucht. Für die Schweizer Wirtschaft lobbyieren kann er schlecht, wenn er kein Mandat hat: Wieso sollte China mit jemandem verhandeln, der keinerlei Kompetenzen hat. Geheime Aktivitäten müsste man auch ausschliessen, denn ein Erinnerungsfoto ist definitionsgemäss das Gegenteil von geheim.
Lässt sich Maurer einmal mehr vorführen?
Dass ein gemachtes Foto auch einmal PR-mässig ausgeschlachtet werden würde, hätte Maurer wissen müssen. Das wäre, wenn schon, Maurers Stil: das bewusste Treten in Fettnäpfchen zwecks Provokation. Nur nützt diese Provokation scheinbar nur China.
Wissen müssen müsste Maurer auch, dass China ihn gerne mal blossstellt. In bester Erinnerung ist sein China-Besuch als Bundespräsident 2019, wo man ihm auch die neuste Technologie der Firma ByteDance vorstellte. Maurer zeigte sich begeistert vom ByteDance-Vorzeige-Produkt, diesem sogenannten «TikTok», scheiterte allerdings an der Gestensteuerung.
Das sah etwas schusselig aus, das Finanzdepartement teilte das Video trotzdem in den sozialen Medien. Das alles lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Entweder ist Ueli Maurer ein Genie und wir werden alle noch staunen. Oder er macht sich für China zum Hampelmann, weil dieses noch ganz andere TikTok-Videos von ihm auf Lager hat. Und wir alle haben es nicht gemerkt, obwohl er eine ganze Handvoll Mahnfinger in die Kamera gestreckt hat.