Nemo will bei Bundesrat Beat Jans für die Einführung einer dritten Geschlechtsoption auf amtlichen Dokumenten weibeln – wie ist die Gesetzeslage im Ausland?
Nemo Drittes Geschlecht Option
Nemo möchte künftig dafür kämpfen, dass non-binäre Personen ihre Geschlechtszugehörigkeit in amtlichen Dokumenten ausweisen können – jenseits der Kategorien Frau und Mann. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Nemo schreibt Geschichte und holt den ESC-Pokal in die Schweiz – zum ersten Mal seit 1988!
  • Nemo trifft sich mit Beat Jans, um für die Rechte von non-binären Personen zu weibeln.
  • In welchen anderen Ländern existiert eine dritte Option beim Geschlechtseintrag bereits?
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Nemo schreibt Geschichte! Das Musiktalent holt den ESC-Pokal zum ersten Mal seit 1988 in die Schweiz – ESC-Fans sind aus dem Häuschen.

Nemo Drittes Geschlecht Option
Nemo möchte sich für die Rechte von non-binären Personen einsetzen: Demnächst wird das Musiktalent mit Justizminister Beat Jans über die Thematik sprechen. (Archivbild) - keystone

Nemo hatte sich im vergangenen November als non-binär geoutet – identifiziert sich also weder als Mann, noch als Frau. Entsprechend sei das Siegerlied «The Code» auch ein politisches Statement, wie Nemo wiederholt betont: Es sei inakzeptabel, dass non-binäre Menschen ihr Geschlecht in der Schweiz juristisch nicht offiziell anerkennen lassen können.

Nemo trifft SP-Bundesrat Beat Jans

Deshalb steht nach dem ESC-Exploit im schwedischen Malmö bereits der nächste hochkarätige Termin im Kalender von Nemo: Bald wolle man sich persönlich mit Justizminister Beat Jans treffen – und für eine bessere Anerkennung von non-binären Menschen weibeln.

Nemo Drittes Geschlecht Option
Hat im Kanton Basel-Stadt ein Gleichstellungsgesetz entworfen, das auch Transpersonen und non-binäre oder intergeschlechtliche Personen einschliesst: SP-Bundesrat Beat Jans. (Archivbild) - keystone

Wie das EJPD bestätigt, habe SP-Bundesrat Beat Jans «mitgefiebert» – der Stadtbasler freue sich über den Sieg von Nemo. Derzeit würde man mit dem non-binären Kunstschaffenden einen passenden Termin suchen.

Nemo dürfte bei Beat Jans auf offene Ohren stossen. Im Kanton Basel-Stadt hatte der Sozialdemokrat ein neues Gleichstellungsgesetz lanciert: Es soll nicht nur vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts schützen, sondern auch aufgrund der sexuellen Orientierung. Ferner schreibt es vor, dass die Gleichstellung auch Transpersonen und non-binäre oder intergeschlechtliche Personen einschliesst.

Geschlecht und Geschlechtsidentität

Rein biologisch betrachtet gibt es kein drittes Geschlecht: Homo sapiens ist entweder Männlein oder Weiblein – in seltenen Fällen sind Menschen keinem der beiden Geschlechter zugehörig. Dies ist beispielsweise bei Männern mit einem zusätzlichen X-Chromosom der Fall, das sogenannte «Klinefelter-Syndrom».

Nemo Drittes Geschlecht Option
Nemo holt den ESC-Pokal in die Schweiz: Bald wolle man sich persönlich mit Justizminister Beat Jans treffen – und für eine bessere Anerkennung von non-binären Menschen weibeln.
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In Basel-Stadt hatte Jans ein neues Gleichstellungsgesetz lanciert: Es soll auch vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität schützen. (Archivbild)
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Zahlreiche Staaten haben die Gesetze angepasst: In Deutschland und Österreich haben Personen mit körperlichen Abweichungen die Möglichkeit, «divers» als dritte Geschlechtsoption auszuwählen.
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In Indien, Pakistan oder Bangladesch hat das dritte Geschlecht lange Tradition: Sie können seit den frühen 2000er-Jahren eine dritte Option in amtlichen Dokumenten auswählen. (Symbolbild)
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«Hijra» oder «Khwaja Sara» sind Menschen, die sich keinem der beiden Geschlechter zugehörig sehen. Meistens sind das intergeschlechtliche oder als Männer geborene Personen. (Symbolbild)
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Anders sieht die Gesetzeslage in der Schweiz aus – hierzulande existiert auf nationaler Ebene keine dritte Geschlechtsoption in amtlichen Dokumenten – das will Nemo ändern. (Symbolbild)

Gleichzeitig wird in jüngster Vergangenheit zunehmend zwischen Geschlecht und Geschlechtsidentität oder Gender unterschieden. Hier ist die Rede von einer Vielzahl unterschiedlicher Einordnungsmöglichkeiten.

Die stetig wachsende Liste umfasst mittlerweile mehr als 70 Geschlechtsidentitäten: neben «Mann» und «Frau» beispielsweise auch «Transgender», «Agender», «Autigender», «Astergender», «Bigender», «Cloudgender», «Demigender», «Egogender», «Genderqueer», «Healgender» oder «Mirrorgender».

Angepasste Gesetzeslage in vielen Ländern

Vor diesem Hintergrund haben zahlreiche, mehrheitlich westliche Staaten ihre Gesetze angepasst. In Deutschland und in Österreich haben Personen mit körperlichen Abweichungen beispielsweise die Möglichkeit, «divers» als dritte Geschlechtsoption auszuwählen. Dies ist allerdings in den meisten Fällen nur mit einem medizinischen Attest möglich.

Drittes Geschlecht Gender Nemo
Blau: Freiwillige Option für alle; Gelb: Freiwillige Option für Personen mit Abweichungen; Orange: Standard für non-Binäre; Rot: Standard für Personen mit Abweichungen; Grau: Keine Anerkennung. - Wikipedia

Weiter geht die Gesetzeslage beispielsweise in Ländern wie Kanada, Australien, Neuseeland, den USA, den Niederlanden, Dänemark, Island, Argentinien oder Kolumbien: Hier haben Personen die Möglichkeit, in amtlichen Dokumenten neben «M» und «F» eine dritte Option wie beispielsweise «X» auszuwählen.

In Indien, Pakistan oder Bangladesch hat das dritte Geschlecht wiederum lange Tradition: «Hijra» (Indien) oder «Khwaja Sara» (Pakistan) sind Menschen, die sich keinem der beiden Geschlechter zugehörig sehen. In der Regel handelt es sich hierbei um intergeschlechtliche oder als Männer geborene Personen. Sie haben seit den frühen 2000er Jahren die Möglichkeit einer dritten Geschlechtsoption in amtlichen Dokumenten.

Keine juristische Anerkennung in der Schweiz

Anders sieht die Gesetzeslage in der Schweiz aus – hierzulande existiert auf nationaler Ebene keine dritte Geschlechtsoption in amtlichen Dokumenten. Einige Kantone bieten die Möglichkeit zwar auf kantonaler Ebene, doch auch sie stellen die Ausnahme dar.

Im Dezember 2023 hatte der Bundesrat in einem Bericht erklärt, dass die Schweizerische Rechtsordnung auf dem binären Geschlechtermodell beruhe. Eine Abkehr davon hätte demnach «weitreichende Konsequenzen» – auf sämtlichen Gesetzesebenen müssten unzählige Gesetzestexte angepasst werden.

Entsprechend müsste eine allfällige Änderung sorgfältig geplant und umgesetzt werden, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, erklärte der Bundesrat. Das binäre Geschlechtermodell wiederum sei in der Gesellschaft noch immer tief verankert. Die weitreichenden Konsequenzen einer allfälligen Abkehr seien im gesellschaftlichen Diskurs bisher noch kaum thematisiert worden.

Könnte Nemos Sieg einen gesellschaftlichen Wandel einleiten?

Deshalb hatte der Bundesrat entschieden, dass es – wenigstens gegenwärtig – nicht dem Mehrheitswillen entspreche, dieses binäre Geschlechtermodell aufzubrechen: Die gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Einführung eines dritten Geschlechtes oder den Verzicht auf den Geschlechtseintrag seien nicht gegeben – derzeit.

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