Die britische Regierung setzt auf weitere Verschärfungen der Migrationspolitik. Die Hochschulen des Landes warnen vor den Plänen, die auch Studierende treffen.
Cambridge Universität Hauptgebäude
Die Pläne der Regierung betreffen auch Studierende der Elite-Universität Cambridge. (Symbolbild) - Keystone

Oxford ganz oben, Cambridge nicht weit dahinter – und auch weitere britische Hochschulen wie King's College oder die SOAS University aus London fehlen in kaum einer Liste der weltbesten Universitäten. Alles eitel Sonnenschein also für die britische Hochschullandschaft?

Mitnichten. Vereinigungen wie die Russell Group, in der die 24 besten Forschungseinrichtungen des Landes versammelt sind, oder der Verband Universities UK sehen dunkle Wolken über den Elite-Unis aufziehen. Der Grund: die Migrationspolitik der konservativen britischen Regierung.

Wahlkampf mit Migrationspolitik

Zuletzt lag die Nettozuwanderung auf einem Rekordhoch von gut 600 000 Menschen. Diesen Trend wollen die Tories von Premierminister Rishi Sunak unbedingt umkehren. Auch, weil es die Bevölkerung angeblich so will.

Das scharfe Vorgehen gegen Migrantinnen und Migranten soll ihnen Punkte bringen bei den Wählern. Noch in diesem Jahr soll ein neues Parlament gewählt werden. In Umfragen liegen die Konservativen bis zu 30 Prozentpunkte hinter der Oppositionspartei Labour.

Innenminister James Cleverly sucht überall nach Möglichkeiten, die Zuwanderung zu beschränken: Das jährliche Mindestgehalt für ausländische Beschäftigte wurde stark erhöht, Pflege- und Gesundheitsfachkräfte dürfen ihre Angehörigen nicht mehr mitbringen. Wirtschaft und Verbände warnen vor einschneidenden Folgen für den britischen Arbeitsmarkt.

Das ficht die Tories bisher nicht an. Cleverly hat vielmehr auch die Hochschulen im Blick. In einem Brief an das Beratungsgremium Migration Advisory Committee (MAC) forderte er, eine Streichung der «graduate visa route» zu prüfen.

Dieses Programm erlaubt ausländischen Studierenden, bis zu zwei – und im Falle von Doktoranden bis zu drei – Jahre nach ihrem Studienabschluss in Grossbritannien zu leben und zu arbeiten.

Experte sieht keine Hinweise auf Missbrauch

Kritiker sind der Ansicht, dass Migranten die Regelung missbrauchen, um als Fachkräfte langfristig im Land zu bleiben. Dem widersprechen Experten wie der Wirtschaftswissenschaftler Jonathan Portes vom King's College London.

«Die Tatsache, dass sie sich freiwillig dafür entscheiden, zunächst einen Abschluss zu machen (und dafür zu bezahlen), lässt darauf schliessen, dass sie den Abschluss an sich als lohnenswert erachten», betonte Portes.

Zwar würden viele zur Finanzierung ihres Studiums in gering bezahlten Jobs arbeiten. «Na und? Die überwiegende Mehrheit wird einen positiven wirtschaftlichen und steuerlichen Beitrag leisten, genau wie junge Arbeitnehmer britischer Herkunft.»

Universitäten warnen vor «Tragödie»

Auch von den Universitäten kommt Widerstand gegen die Regierungspläne. Ein solcher Schritt würde einen schweren finanziellen Schaden bedeuten, zitierte die Zeitung «Financial Times» am Samstag aus einem Brief des Chefs der Russell Group, Tim Bradshaw, an den MAC-Vorsitzenden Brian Bell. Eine Studie von London Economics zeigt, dass die Universitäten der Russell Group fast 38 Milliarden Pfund (44 Mrd Euro) zur britischen Wirtschaft beitragen.

«Alle weiteren Änderungen, um die Zuwanderung von Studierenden zu beschränken, könnten zu einer erheblichen Destabilisierung der Branche führen sowie zu geringeren Ausgaben in den lokalen Gemeinden, weniger Möglichkeiten für inländische Studenten und weniger britischer Forschung», heisst es in Bradshaws Brief weiter.

Ähnlich äussert sich Universities UK. «Graduiertenvisa sind für Arbeitsplätze und Wachstum im Vereinigten Königreich sowie globale Ambitionen von entscheidender Bedeutung», warnte der Verband. Verbandschefin Sally Mapstone sagte dem Sender Sky News am Sonntag, es wäre eine «Tragödie und katastrophal» für das gesamte Vereinigte Königreich, falls die Regierung «völlig unnötige Massnahmen» ergreife, um die Zahl der internationalen Studierenden zu begrenzen.

Zahl der EU-Studierenden seit Brexit halbiert

Die Regierung spricht oft von britischer «soft power», wenn sie den Forschungssektor lobt. Aber dieser Aspekt ist nach Ansicht der Hochschulen wegen der verschärften Zuwanderungsregeln gefährdet. Schon seit dem Brexit ist die Zahl der Studierenden aus der EU um rund die Hälfte gesunken.

Sie benötigen nun teure Visa, ausserdem sind Studiengebühren für sie nicht mehr gedeckelt. Doch auch aus anderen Ländern schreiben sich deutlich weniger Menschen an britischen Unis ein, wie Erhebungen zeigen.

Nachteile im internationalen Wettbewerb

Das britische Kulturinstitut warnte, die britischen Universitäten seien mit langsameren Wachstumsraten und einem zunehmenden Wettbewerb um internationale Studierende konfrontiert.

Vor allem die USA verzeichneten wieder deutlich steigende Bewerbungszahlen. Zudem mache das starke britische Pfund das Vereinigte Königreich unattraktiver für Studierende aus wichtigen Märkten wie Nigeria, China oder Indien.

An diesem Dienstag will das MAC seinen Bericht vorstellen. Auf dieser Grundlage will das Kabinett dann über eine Abschaffung entscheiden.

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