Ist es Service public, wenn Staatsbetriebe Politiker ans Filmfestival Locarno einladen? Jein, sagen die Parlamentarier selbst.
«Dort gab es leckeres Essen, aber sehr wenig Bier» - Nau
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Das Wichtigste in Kürze

  • SBB, SRG und andere Bundesbetriebe spendieren Parlamentariern Events am Locarno Festival.
  • Übernachtungen zu bezahlen, grenze an Stimmenkauf, sagt SVP-Nationalrätin Natalie Rickli.
  • Vertreter anderer Parteien appellieren an die Selbstverantwortung der Politiker.

Das sind mehr als blosse Kennenlern-Apéros, so wie sie die Parlamentarier von Bern her kennen: Exklusive Party ab 23 Uhr oder die (gratis) Filmvorführung mit einem Essen im Grotto und Übernachtung für zwei umrahmen. Zu ersterem lädt die SRG, das Pauschalpaket bieten die SBB den geneigten Politikern an.

«Das ist Service public»

Auch Post oder Swisscom umwerben die filmisch interessierten Politiker. Solche Veranstaltungen dienten «dem Austausch, dem Networking», betont SRG-Medienchef Edi Estermann. Primär für Filmschaffende, denn mit ihnen arbeite die SRG eng zusammen, als Teil des Leistungsauftrags.

Weil man nicht wisse, welche Parlamentarier vor Ort seien, erfolge die Einladung an alle National- und Ständeräte. Erscheinen würden jeweils 10 bis 15. Die umgekehrte Strategie verfolgt die SBB: Sie bringt die Gäste ins Tessin und organisiert die Übernachtung – wenn gewünscht auch gratis. In dieser Form sei dies aber einmalig und folge strengen Compliance Richtlinien, betont SBB-Sprecher Christian Ginsig. Immerhin: Empfang/Schlummertrunk (130.-), Filmticket (50.-) und falls gewünscht Hotelzimmer (250.-) machen zusammen 430 Franken.

Interview mit Natalie Rickli, Nationalrätin SVP. - Nau

«Das ist kein Service public»

Gerade letzteres sei höchst problematisch, sagt SVP-Nationalrätin Natalie Rickli: «Wenn sich Parlamentarier die Übernachtung zahlen lassen, grenzt das an Stimmenkauf.» Bei Staatsbetrieben sei der Interessenskonflikt programmiert.

Interview mit Thomas Hardegger, Nationalrat SP. - Nau

Weniger Anstoss nimmt SP-Nationalrat Thomas Hardegger. Dass die SBB Reise- und Übernachtungskosten übernehmen wolle, lehnt er zwar ab. Aber er sei an solche Veranstaltungen auch schon gegangen, «wenn ich eh grad im Tessin war». Es wäre übertrieben zu sagen, das sei Arbeit, «aber Arbeit ist da sicher auch dabei». Ob man sich dafür bezahlen lasse, müsse jeder Parlamentarier selbst wissen.

Interview mit Martin Candinas, Nationalrat CVP. - Nau

«Das ist nicht Zürich»

So sieht dies auch CVP-Nationalrat Martin Candinas. Er werde all die Einladungen aber sowieso nicht annehmen. Hingegen zeigt er ein gewisses Verständnis dafür, dass sogar Gratis-Übernachtungen angeboten werden: «Sonst kommt ja kaum jemand in die Randregionen und solche Veranstaltungen finden nur noch im Raum Zürich-Bern statt.»

Interview mit Aline Trede, Nationalrätin Grüne. - Nau

«Das ist langweilig»

Wenn dann aber mal etwas geboten wird, dann lassen sich auch Linke nicht zweimal bitten. Dachte sich jedenfalls Aline Trede von den Grünen, die vor Jahren voller Erwartungen an einer «Nuit blanche» der SRG teilnahm. «Die hatten nicht mal Musik – ich mein, ein guter Compi hätte ja gereicht.»

Viel schlimmer: Auch noch zu wenig Bier. Sogar der angebliche wahre Grund des Anlasses, das Networking, habe nicht viel gebracht. «Ich meine, Apéros haben wir genug. Aber eine Party dort unten: Wär jetzt nicht untertrieben», reklamiert Trede.

Sollen Bundesbetriebe wie die SBB und SRG Parlamentarier an Events einladen und allenfalls Unkosten übernehmen?

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