Auf National- und Ständerat warten in der Frühjahrssession grosse Gesetzesprojekte. Eine Übersicht:
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Das Bundeshaus. (Symbolbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • BERUFLICHE VORSORGE: Das Parlament berät erneut über die Reform der beruflichen Vorsorge.

Dabei zeichnet sich ein Kompromiss zwischen den Räten ab. Die Mehrheit der zuständigen Nationalratskommission will beim Ausgleich für den tieferen Umwandlungssatz dem Konzept des Ständerats folgen. Die Hälfte der Versicherten würde von einem Zuschlag profitieren. Hingegen würden Personen mit hohen Renten nicht zusätzlich unterstützt. Eine gewichtige Differenz zwischen Nationalratskommission und Ständerat besteht dagegen bei der Höhe und Ausgestaltung des Koordinationsabzugs. Ob sich die Räte bereits im März einigen können, ist unklar. Ein Referendum gegen die BVG-Reform haben die Gewerkschaften bereits angekündigt. Auch für die SP wird die Senkung des Umwandlungssatzes nach wie vor nicht genügend kompensiert. Daher dürfte wohl das Volk das letzte Wort haben zu den künftigen Renten aus der beruflichen Vorsorge.

ALTERSVORSORGE: Nach dem knappen Ja des Stimmvolks zur Erhöhung des Frauen-Rentenalters im vergangenen Jahr beugt sich der Ständerat bereits über weitere AHV-Reformprojekte. Auf dem Tisch liegen zwei Volksinitiativen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) verlangt, dass Rentnerinnen und Rentner künftig Anspruch haben sollen auf einen Zuschlag im Umfang einer 13. Monatsrente. Die Jungfreisinnigen wollen ihrerseits das Rentenalter schrittweise erhöhen, bis auf 66 Jahre. Anschliessend soll das Rentenalter pro Monat zusätzlicher Lebenserwartung um 0,8 Monate steigen. Die zuständige Ständeratskommission lehnt wie der Bundesrat die beiden Renteninitiativen ohne Gegenvorschlag ab. Ein Ausbau der AHV sei in der momentanen Haushaltslage finanziell nicht machbar, eine weitere Anpassung des Rentenalters sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht opportun, argumentiert die Mehrheit.

ENERGIE: Der Nationalrat diskutiert als Zweitrat den sogenannten Energie-Mantelerlass. Damit soll die Versorgungssicherheit der Schweiz mit Strom mittel- und langfristig verbessert werden. Mit einer weiteren Vorlage wollen die Parlamentskommissionen den Ausbau der Windenergie beschleunigen. Konsens herrscht darüber, dass beim Zubau der erneuerbaren Energien vorwärtsgemacht werden muss. Gemäss einer neuen EU-Regel müssen ab 2025 alle europäischen Übertragungsnetzbetreiber mindestens 70 Prozent der grenzüberschreitenden Netzkapazitäten für den Stromhandel innerhalb der EU freihalten. Das könnte die Importfähigkeit der Schweiz zusätzlich einschränken und sich negativ auf ihre Netzstabilität auswirken. Umstritten ist beim Ausbau einheimischer Energien insbesondere die Frage, wie verfassungsmässige Grundsätze wie der Umweltschutz sichergestellt werden können.

KRIEGSMATERIAL: Nachdem der Bund alle bisherigen Gesuche aus dem Ausland für die Weitergabe von Schweizer Waffen an die Ukraine mit Verweis auf das geltende Kriegsmaterialgesetz abgelehnt hat, steht im Parlament ein Kurswechsel zur Diskussion. Geht es nach der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats (SIK-N), sollen in der Schweiz hergestellte Waffen künftig unter gewissen Umständen von anderen Ländern an kriegführende Staaten weitergegeben werden dürfen. Der Nationalrat berät nun eine entsprechende Motion. Die zuständige Ständeratskommission plädiert für einen anderen Weg. Sie will die Geltungsdauer von Nichtwiederausfuhrerklärungen für bestimmte Länder, die Schweizer Kriegsmaterial kaufen, auf fünf Jahre befristen. Eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung befürwortet laut einer aktuellen Umfrage des Instituts Sotomo eine Lockerung der Regeln für die Weitergabe von Schweizer Kriegsmaterial. Auch der Druck aus dem Ausland steigt.

SEXUALSTRAFRECHT: «Nur ein Ja ist ein Ja» oder «Nein heisst Nein»? Um diesen Grundsatz streiten sich die Räte beim revidierten Sexualstrafrecht. Mit der Revision will der Bundesrat das Sexualstrafrecht an die gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre anpassen. Er möchte Gewalt- und Sexualdelikte künftig härter bestrafen. Die zuständige Ständeratskommission ist weiterhin gegen die sogenannte Zustimmungslösung. Diese sei nicht mit den beweisrechtlichen Grundsätzen des Strafprozesses vereinbar. Eine weitere gewichtige Differenz bleibt die Unverjährbarkeit von sexuellen Handlungen mit Kindern. Der Nationalrat schraubte das entsprechende Schutzalter von 12 auf 16 Jahre hoch. Die Ständeratskommission möchte in diesem Punkt wie der Bundesrat beim geltenden Recht bleiben. Die Vorlage dürfte nach der neuerlichen Beratung im Ständerat wohl frühestens im Sommer bereinigt werden.

ASYL: Weil der Bund mit seinen regulären Strukturen wegen der grossen Zahl an Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Ländern am Anschlag ist, hilft die Armee aus. Sie stellt für die Unterbringung von Asylsuchenden rund 3000 zusätzliche Plätze zur Verfügung. Weil die für die Betreuung der Menschen nötigen Fachleute auf dem Arbeitsmarkt nur äusserst schwierig zu finden sind, wird die Armee punktuell auch zur personellen Unterstützung beigezogen. Möglich ist der Einsatz von bis zu 500 Armeeangehörigen. Die Leistungen werden von Durchdienern oder Formationen erbracht, die ordentlich im Dienst sind. Den subsidiären Armeeeinsatz zugunsten des Bundes hatte der Bundesrat bereits im Dezember bewilligt. Weil der Einsatz aber länger als drei Wochen dauert, muss nun das Parlament zustimmen, damit er bis Ende März fortgesetzt werden kann. Das Geschäft ist deshalb in beiden Räten traktandiert.

GESUNDHEITSKOSTEN: Die Räte sind sich uneinig darüber, ob die Bevölkerung künftig von höheren Verbilligungen der Krankenkassenprämien profitieren soll. Der Ständerat ist im Dezember nicht auf den indirekten Gegenvorschlag zur Prämien-Entlastungs-Initiative der SP eingetreten. Nun ist erneut der Nationalrat am Zug. Dessen zuständige Kommission will nichts davon wissen, den Ausbau der Prämienverbilligungen auf die lange Bank zu schieben. Der Ständerat befasst sich in dieser Session mit dem indirekten Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative der Mitte-Partei. Wie der Nationalrat möchte auch die zuständige Ständeratskommission Kosten- und Qualitätsziele für das Gesundheitswesen einführen. Diese soll der Bundesrat alle vier Jahre festlegen. Bei verschiedenen Punkten zeichnen sich aber Differenzen zwischen den Räten ab, weshalb die Vorlage noch nicht bereinigt werden dürfte.

FAMILIEN: Im internationalen Vergleich schneidet die Schweiz bei der familienergänzenden Betreuung von Vorschulkindern gemäss einer Unicef-Studie von 2021 schlecht ab. Die heutigen Finanzhilfen des Bundes an die familienergänzende Kinderbetreuung sind befristet. Abgelöst werden soll diese Phase von neuen Regeln im ordentlichen Recht. Laut der zuständigen Nationalratskommission sollen Eltern und Kantone künftig mehr Kita-Geld erhalten als ursprünglich vorgesehen. Kostenpunkt: circa 710 Millionen Franken pro Jahr. Das soll die Entwicklungschancen der Kinder zu erhöhen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Kontrovers diskutiert wurden im Vorfeld der Parlamentsdebatte insbesondere die Frage der Finanzierung der Vorlage und die Kompetenz des Bundes im Bereich der familienergänzenden Kinderbetreuung.

LANDWIRTSCHAFT: Im Nationalrat wird erneut über die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft diskutiert. Im Fokus der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) sollen der wirtschaftliche und soziale Bereich liegen. Die zuständige Kommission des Nationalrats will wie der Ständerat keine ökologischen Ziele in die Vorlage aufnehmen. Zunächst sollten in den Augen der Mehrheit die Auswirkungen der neuen Bestimmungen zur Verminderung der Risiken durch Pestizide überprüft werden. Auch keine Mehrheit fand in der Kommission ein Beitrag an höhere Kosten für die Haltung von Tieren mit Hörnern. Die Mehrheit ist ebenso gegen einen neuen Beitrag für besonders klimafreundliche Betriebe. Einverstanden ist die Nationalratskommission mit dem Ständeratsentscheid, die Reform des Bodenrechts von der AP22+ abzukoppeln und in einer separaten Vorlage aufzugleisen. Sie unterstützt eine entsprechende Motion.

VERHÜLLUNGSVERBOT: Zwei Jahre nach dem Ja von Volk und Ständen zur Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» nimmt die kleine Kammer als Erstrat die Umsetzung des Verfassungsartikels auf Gesetzesstufe an die Hand. So soll es in der Schweiz künftig verboten sein, in der Öffentlichkeit das Gesicht zu verhüllen. Der Bundesrat hatte seine Vorlage nach Kritik in der Vernehmlassung in wesentlichen Punkten angepasst. Die Busse für verbotenes Verhüllen des Gesichts soll beispielsweise höchstens 1000 statt 10'000 Franken betragen. Der Bundesrat sieht eine ganze Reihe Ausnahmen vom Verhüllungsverbot vor. Das Egerkinger Komitee, das hinter der Initiative stand, und die SVP wollen keine Ausnahme für Kundgebungen. Für die SP und die Grünen dagegen ist die Ausnahme an Demonstrationen zentral. Der Kompromissvorschlag des Bundesrats lautet, dass das Gesicht bedeckt werden darf, wenn dies für den eigenen Schutz vor persönlichen Nachteilen und die Ausübung der Grundrechte nötig ist. Dieser Punkt dürfte im Parlament noch für Diskussionen sorgen.

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