Weihrauch ist von der Weihnachtszeit und dem Dreikönigstag kaum wegzudenken. Seit Jahrhunderten wird das beliebte Gummiharz aus Bäumen in Somalia und anderen Ländern der Region gewonnen. Doch die weltweite Produktion und die Tradition sind in Gefahr.
Ein Tropfen Weihrauchsaft hängt noch an der Rinde eines Baumes. Foto: Mike Nelson/epa/dpa
Ein Tropfen Weihrauchsaft hängt noch an der Rinde eines Baumes. Foto: Mike Nelson/epa/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Zur Geburt von Jesus reisten die Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland nach Bethlehem.

Dort überreichten sie drei wertvolle Gaben: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Diese Geschichte kennt in christlich geprägten Ländern fast jedes Kind.

Heute durchdringt der vertraute Geruch von Weihrauch nicht nur Kirchen, es ist auch ein beliebtes Öl in der Aromatherapie.

Dadurch erlebt Weihrauch derzeit weltweit einen beispiellosen Boom - doch in Ländern wie Somalia, das eines der grössten Produzenten ist, ist das nicht nur positiv. Forscher warnen: In einigen Jahrzehnten könnte dieses wertvolle Gut, das von den alten Ägyptern bis hin zur modernen Medizin jahrhundertelang in unseren Gesellschaften verankert war, nicht mehr existieren.

Weihrauch wird von Boswellia-Bäumen gewonnen. Die verschiedenen Arten des Baumes sind neben Somalia auch in Äthiopien, dem Sudan, Oman, dem Jemen und Indien zu finden. «Man muss den Baum mit einer Axt verletzen, und dann gibt man ihm Zeit, bis Beeyo erscheint», erklärt die Somalierin Ardo Mire und nutzt dabei den örtlichen Begriff für Weihrauch. Die Familie der 55-Jährigen erntet seit über 100 Jahren im Zentrum von Somalia das Harz, aus dem Weihrauch hergestellt wird. Doch wie lange sie die Familientradition weiterführen kann, weiss sie nicht: «Heutzutage wird Beeyo immer weniger, denn die Bäume sterben, und die Nachfrage ist zu hoch.»

Weihrauch hat in den vergangenen Jahren gerade in den USA und Europa ein Revival erlebt. Es ist neben dem Räuchern vor allem in ätherischen Ölen in der Aromatherapie und in Seifen beliebt. «Es gibt eine riesengrosse, unersättliche Nachfrage», sagt Frans Bongers von der Universität von Wageningen (Niederlande), der zu den Boswellia-Bäumen forscht. Dies betrifft zunehmend vor allem Somalia, speziell die semiautonome Region Somaliland. Die dort zu findende Art Boswellia sacra, auch genannt Boswellia carterii, sei derzeit eine «heisse Ware» auf dem Markt, sagt Expertin Anjanette DeCarlo, die sich mit ihrer Organisation Save Frankincense für den Schutz der Bäume einsetzt.

Man könnte meinen, dass die steigende Nachfrage ein Segen ist, die Realität sieht aber anders aus. Zuvor nomadische Völker, die die Bäume anzapfen, liessen sich zunehmend nieder, erklärt DeCarlo. Gekoppelt mit dem Bevölkerungswachstum steige der Druck auf die Bäume, auch in immer abgelegeneren Gebieten. «Wir sehen, dass nun immer mehr Menschen die Bäume anzapfen, denn der Preis (von Weihrauch) ist gestiegen.» Und wegen der schwachen Regierungsführung in Somaliland wird das Geschäft nur wenig kontrolliert.

Das sogenannte «Überzapfen» ist für die Bäume verheerend. Um Gummiharz zu entnehmen, macht man Einschnitte in der Rinde des Baums. Der Baum gibt Harz ab, wie ein Körper bei einer Wunde blutet; dieses Harz wird gesammelt. Damit diese Methode nachhaltig ist und der Baum gesund bleibt, sollte ein Baum nur neun bis zwölf Schnitte haben, wie DeCarlo erklärt. Ausserdem sollte demnach ein Baum nur einige Monate im Jahr geschnitten werden und nur zwei Jahre hintereinander, dann sollte er sich rund ein Jahr erholen. DeCarlo aber sieht nach einigen Angaben oft Bäume, die über 100 Schnitten vorweisen und denen keine Erholungspause gegeben werde.

Dieser Druck auf die Bäume, gekoppelt mit den Folgen des Klimawandels, sei ein «perfekter Sturm, der zum Rückgang einer Ressource führt», sagt DeCarlo. Die Weltnaturschutzunion IUCN stufte den Bestand von Boswellia sacra 1998 als gering gefährdet ein, seitdem wurde aber keine Bewertung durchgeführt.

Auch in anderen Ländern sind die Bäume bedroht, dort aber aus anderen Gründen. In Äthiopien, auch einer der grössten Weihrauch-Produzenten der Welt, fallen die Boswellia papyrifera der Landwirtschaft und Viehhaltung zum Opfer, wie Forscher Bongers sagt. Auch der Konflikt, der derzeit in der Region Tigray im Norden Äthiopiens wütet, beeinträchtige die Bäume. Bei einigen Baum-Populationen gebe es seit Jahrzehnten gar keine natürliche Regeneration, schrieb Bongers in einer Studie im vergangenen Jahr. «Die voraussichtliche Weihrauch-Produktion wird sich in 20 Jahren halbieren.»

Aus der Armut verhilft der Weihrauch-Boom den Menschen, die das Harz ernten, kaum. Die Bäume befinden sich oft in schwer zugänglichen und auch konfliktreichen Gebieten, und die Arbeit ist hart. Die Sammler verdienen in der ganzen Kette am wenigsten. Ein Sammler könne je nach Jahr und Ort ein Kilo Harz im Dorf für etwa drei bis sechs Dollar verkaufen, sagt Forscher Stephen Johnson, der sich für nachhaltige Lieferketten einsetzt. Mittelmänner verdienten etwa das Doppelte. Als ätherisches Öl destilliert kostet demnach ein Kilo rund 14 bis 22 Dollar - und in kleine Fläschchen verpackt kommt das Kilo auf wuchtige 104 bis 430 Dollar.

Doch die Forscher sind sich einig: Ein Weihrauch-Stopp ist nicht die Lösung - stattdessen muss die Produktion nachhaltig gestaltet werden. Zum einen müsse das Entnehmen von wildem Harz stärker reguliert werden, sagt DeCarlo. Schon heute bemühten sich einige Hersteller verstärkt, die Lieferketten genauer zu prüfen und nachhaltigen Weihrauch anzukaufen. Zum anderen könnte die hohe Nachfrage gesättigt und der Druck auf die wilden Boswellia-Bäume durch Plantagen abgefedert werden. Einige wenige gibt es schon, die Bäume brauchen aber viele Jahre, um heranzuwachsen. Und die Menschen müssen mehr von dem Weihrauch-Boom profitieren: Anstatt nur das rohe Harz zu exportieren, sollte die Herstellung von Weihrauch-Produkten zunehmend vor Ort angesiedelt werden, meint DeCarlo.

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