Komikerin Carolin Kebekus ist bekannt für ihre Zoten, aber wenn's um den Kölner Karneval geht, wird sie ganz weich. Da ist viel Liebe mit im Spiel.
Carolin Kebekus liebt den Karneval. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
Carolin Kebekus liebt den Karneval. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Carolin Kebekus sitzt im Krokodilskostüm auf der Bühne.

Gleich beginnt hier «Deine Sitzung». Die Bänke unten sind noch leer, aber es wuselt schon im Saal. Beleuchter, Tontechniker, Musiker.

Und oben Sitzungspräsidentin Carolin. Man merkt ihr an: Sie freut sich auf das, was gleich kommt. Sie freut sich mächtig. Carolin Kebekus, die noch immer ein bisschen aussieht wie ein Mädchen, aber auf der Bühne die vulgärsten Zoten reisst, eben diese Carolin Kebekus hat ein sehr intimes Verhältnis zum Karneval.

Es fällt ihr nicht leicht, das Besondere in Worte zu fassen. Es hat etwas mit Stimmung zu tun, klar, und mit Lachen, aber das ist es nicht allein. «Man hat hier die Möglichkeit, die Menschen mitzunehmen in ein ganz spezielles Genre. Wir sind ja politisch.»

Wohlgemerkt: Sie spricht nicht über den traditionellen Karneval, den man draussen im Lande aus dem Fernsehen kennt. Die Wiederkehr der schunkelnden Untoten. Nein, sie meint den alternativen Karneval, der in Köln mittlerweile auch schon ein halbes Jahrhundert Tradition hat.

Kebekus, die dieses Jahr 40 wird, kann sich erinnern, wie ihre Eltern früher nach Hause kamen und von der Stunksitzung schwärmten. «Was die sich trauen!», hat ihr Vater gesagt. Das hat sie damals aufgesogen, das hat sie neugierig gemacht. Und dann durfte sie irgendwann mit. «Mein absolutes Vorbild als Kind war Gaby Köster. Die trat immer auf als «dat Nicole». Die dümmste Praline der Welt. Das hab' ich so abgefeiert! 1992 muss das gewesen sein. Glaub' ich. Da war ich zwölf. Ich konnte das auswendig.» Immer wenn jemand Geburtstag hatte, hat sie zu Hause «dat Nicole» gegeben.

Köln ist in weiten Teilen weder schick noch trendig. Genau aus dieser Art von Köln kommt Carolin Kebekus. Geboren wurde sie in Bergisch Gladbach, ein ästhetischer Nachkriegsalptraum in Klinker und Waschbeton. Aufgewachsen ist sie in Brück und in Ostheim. Das sind die letzten Stücke Köln vor Bergisch Gladbach.

Carolin Kebekus liebt diese Gegend. Noch immer geht sie an Karneval zum Brücker Zug. Mit einem Bollerwagen voller Brötchen, Frikadellen, Waffeln und einem Fässchen. Einmal durfte sie sogar auf einem Karnevalswagen mitfahren. Vor einem Altenheim sassen die Senioren in ihren Rollstühlen aufgereiht, ausgestattet mit Decken gegen die Kälte und Schellen für den Spass. Aus einem griechischen Restaurant an der Zugstrecke wurden ihnen warme Speisen nach oben in den Wagen gereicht. «Das war das Grösste.»

«Hey, ihr müsst da bitte gleich mal runter», sagt jemand aus dem Team. Runter von der Bühne, es muss noch geprobt werden. «Ja, kein Problem. Wir sitzen hier nur für die Jemütlichkeit.» Toch-tock-tock geht's auf ihren Schuhen die Bühne runter und in den Backstage-Bereich. Hier kennt jeder jeden. Ihr Vater wird gleich die Karten abreissen.

«Faszinierend ist, wie sich der alternative Karneval immer wieder verjüngt. Irgendwann kam Brings, mit Kasalla wurd's dann supermodern. Die Szene ist total bunt. Zum Beispiel die Immi-Sitzung.» Mit «Immi» von «Immigrant» bezeichnet man in Köln einen Zugereisten. Ob der nun aus Syrien kommt oder aus Bergisch Gladbach, spielt keine Rolle. Es gibt echte Kölner und es gibt «Immis». Die aber genauso mitmachen können wie Kölner. Also doch gar kein Unterschied.

An den tollen Tagen selbst ist sie übrigens immer nur rein privat unterwegs. Das ist ihr heilig. «Bei mir in der Familie und im Freundeskreis, da ist Karneval wie Weihnachten. Wenn ich da an Weiberfastnacht fehlen würde, würden die sagen: «Ey, was ist denn bei dir los? Du hast einen Lebenswandel, der gefällt uns gar nicht.»»

An Weiberfastnacht geht sie auf eine Party. Veranstaltet von einem privaten Karnevalsverein. «Da sind alle meine Freunde drin und deren Eltern. Wir sind in der Wohnung einer Freundin in der Südstadt, die wird danach jedes Mal renoviert. Wir sammeln dann Geld dafür.»

An Karneval kann sie sehr sentimental werden. «Es gibt ja dieses Phänomen, dass in der Kneipe «In unserem Veedel» gespielt wird, und plötzlich fängt man an zu heulen. Diese Session ist für mich sowieso extrem emotional, weil mein Kollege Olaf Bürger gestorben ist, der diese Sitzung mit begründet hat. Der sass immer da, wo ich eben gesessen hab'.»

Der oberste Jeckenpräsident in Köln ist Beerdigungsunternehmer. Karneval geht tief, davon sieht man nichts im Fernsehen. «Was wir hier machen, ist ja total lebensbejahend. Alles was die AfD scheisse findet, das machen wir. Wir haben eine schwule Cheerleadergruppe, wir haben Türken, die hier auftreten und besser Kölsch sprechen als ich. Das ist Leben. Lebensfreude.»

Karneval, tja, man kann's wie gesagt nicht beschreiben. «Hast du unsere Sitzung schon mal gesehen? Nein? Dann bleib einfach da. Dann wirst du es nämlich spüren: Hier hängt so viel Liebe im Raum, dass du dir davon noch was eintuppern kannst.»

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