Das Schweizer Aktienjahr 2022 war eines zum vergessen. Der Leitindex SMI gab so viel nach wie seit 2008 nicht mehr. Hiess es zum Jahresende 2021 noch, dass die Macht des billigen Geldes ungebrochen sei, hat sich das Blatt nun gewendet.
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Die Zinserhöhungen der Notenbanken zur Bekämpfung der galoppierenden Inflation forderten ihren Tribut. Zwar hat sich die Inflation schon 2021 zurückgemeldet. Sie wurde vorerst aber als vorübergehendes Phänomen betrachtet, ehe die zweistelligen Teuerungsraten an vielen Orten das Gegenteil bewiesen und die Währungshüter zu Aktionismus, sprich einer Verschärfung der Geldpolitik zwangen, Rezessionsgefahr hin oder her.

Der seit Februar anhaltende Krieg der Russen in der Ukraine und die noch immer nicht abzuschreibende Corona-Pandemie, welche derzeit vor allem China umtreibt, waren und sind noch immer – nebst der Zinswende – die sehr unangenehmen Begleiter und Beeinflusser der Weltwirtschaft.

In diesem toxischen Umfeld gab der SMI bis kurz vor Weihnachten rund 17 Prozent auf derzeit etwas über 10'700 Punkte nach. Dies ist der höchste Jahresverlust für die hiesigen Blue Chips seit dem schwarzen Börsenjahr 2008.

Dazwischen ergab sich einzig noch 2018 ein zweistelliges Minus. Von den direkten Vorjahren fielen 2019 und 2021 mit Avancen von 20 und mehr Prozent sehr stark aus, während im ersten Corona-Jahr 2020 die Kurse unter dem Strich mehr oder weniger stagnierten.

Das Jahres- und Allzeithoch des SMI bei ganz knapp unter 13'000 Punkten wurde bereits am ersten Handelstag des nun auslaufenden Börsenjahres markiert und ist nur noch ferne Erinnerung. Abgesehen von zwei Erholungsversuchen im März und im Sommer ging es in der Folge bis zum Jahrestief im September auf noch knapp über 10'000 Punkte um rund 3'000 Punkte nach unten, ehe im Schlussquartal eine leichte Erholung folgte.

«Um es zurückhaltend zu formulieren: Es war ein herausforderndes Börsenjahr», sagte Remo Rosenau, Leiter Research bei der Helvetischen Bank, gegenüber AWP. «Seit 2012 wurden die Aktienmärkte von den tiefen Zinsen getrieben, nun haben diese schneller und deutlicher gedreht als erwartet.»

Man könnte sagen, dass angesichts des völlig veränderten Zinsumfelds, der sich abzeichnenden Rezession zumindest in Teilen der Welt und angesichts der übrigen Widrigkeiten der Einbruch der Aktien noch relativ moderat gewesen sei. Zumal der SMIC, also der SMI bereinigt um den Abzug der Dividenden, lediglich rund 14 Prozent nachgegeben hat.

Aber einmal mehr täuscht der Leitindex wegen der hohen Gewichtung der Schwergewichte, diesmal speziell wegen Novartis und Nestlé, über die Gesamtentwicklung hinweg. Darauf verweist auch Rosenau: «Der Swiss Performance Index (SPI), welcher die Dividenden enthält, hält sich in der Regel besser als der SMI. Das hat er mit einem Minus von ebenfalls rund 17 Prozent diesmal aber nicht.»

Und noch interessanter ist laut Rosenau der Vergleich mit dem SMIM, welcher die 30 grössten Unternehmen abbildet, die hinter den 20 grössten Firmen des SMI folgen. Dieser hat mit einer negativen Performance seit Jahresbeginn von rund 27 Prozent nochmals deutlich schlechter abgeschnitten als der SMI.

«Die Korrektur ist brutaler als es die allgemein bekannten Indizes vermuten lassen», so Rosenau. Der SMIM zeige, dass viele Aktien solider Schweizer Industrieunternehmen unter die Räder gekommen seien. Die Aktiendepots vieler Investoren dürften deshalb um Einiges schlechter aussehen als der Hauptindex. Genannt seien hier die Blue Chips Sika, VAT und Geberit, oder im breiten Markt Forbo, Dormakaba und Rieter, allesamt mit Verlusten von über 40 Prozent. Andere wie Bystronic, Dätwyler oder Montana Aerospace liegen gar über 50 Prozent unter dem Stand von Ende 2021.

Im internationalen Vergleich hinkte der SMI im Vergleich etwa zum DAX in Deutschland (-12%), zum französischen CAC (-10%) oder zum Dow Jones (-10%) etwas hinterher, auch wenn man den dividendenbereinigten SMIC heranzieht. Der «Footsie» 100 in London blickt gar auf ein seitwärts verlaufenes Jahr zurück, dies aber vor allem wegen seiner starken Ausrichtung auf Unternehmen aus dem Energie- und Ölbereich, welche von der kritischen Energieversorgungslage in Europa profitierten.

Auf Ebene der Einzeltitel innerhalb des 30 Werte umfassenden SLI halten Credit Suisse nach einer bald zwei Jahre andauernden Talfahrt mit einem Minus von derzeit rund 67 Prozent (Stand 21.12. Vormittag) bei den Blue Chips die rote Laterne, gefolgt von AMS Osram und Temenos mit Einbussen seit Jahresbeginn von rund 60 Prozent. Die grossen Verluste von AMS oder Temenos stehen im Einklang mit dem massiven Rückgang des Tech-Aktien Weltleitmarkts Nasdaq, welcher im Jahresverlauf rund einen Drittel eingebüsst hat; dies vor allem weil Wachstumsaktien sensibler auf Zinserhöhungen reagieren.

Zwischen rund 40 und 50 Prozent fielen im Jahresverlauf Givaudan, Lonza, Partners Group und Straumann zurück sowie die bereits erwähnten Geberit, VAT und Sika.

Dass der SMI und der SLI nicht stärker eingebrochen sind, hat er vor allem defensiven Aktien wie Novartis und Zurich zu verdanken, welche derzeit auf Jahressicht gesehen um rund 5 bzw. rund 9 Prozent höher stehen. Die beiden weiteren Aktien mit einem – knapp – positiven Jahressaldo sind UBS und Holcim. Auf Platz 5 der besten Jahresperformer liegen Swisscom (-2%), während Nestlé mehr oder weniger wie der Gesamtmarkt abschnitten und Roche gar etwas schwächer.

Im breiten Markt bilden Talenthouse sowie die Pharma- bzw. Gesundheitstitel Obseva, Addex, Zur Rose und Igea Pharma die Schlussgruppe, allesamt mit Verlusten von gegen oder gar über 90 Prozent. Bis auf Zur Rose handelt es sich aber um «Penny Stocks», also Aktien, die weniger als 1 Franken kosten.

Mehr als verdoppelt hat sich der Kurs des Gebäudetechnikers Meier Tobler, gestützt von der hohen Nachfrage unter anderem nach Wärmepumpen. Mit Implenia (+87%) folgt ein Unternehmen ebenfalls aus der Baubranche auf Platz zwei.

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