Wie das Fettnäpfchen dank eines Esels zum Fettnapf wurde und die Autorin am liebsten darin versunken wäre.
Viviana Hartmann
Viviana Hartmann ist überzeugt: Das Leben schreibt die besten Geschichten. - zVg
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Das Wichtigste in Kürze

  • Viviana Hartmann schreibt über Alltägliches und Gewöhnliches.
  • Zu ihrer Familie gehören Mann, zwei Kinder, Hund und Katze.
  • Für Nau.ch erzählt sie, wie es ist, wenn man eins und eins falsch zusammenzählt.

Ich bin in ein Fettnäpfchen getreten. Wobei meine Familie findet, das sei eigentlich bereits ein Fettnapf, ohne Verkleinerungsform. Wahrscheinlich hat sie auch recht.

Zu meiner Verteidigung muss ich jedoch sagen, dass es einfach ein bisschen unglücklich gelaufen ist. Das kam so:

In unserer Nachbarschaft hat es drei Esel. Also echte Esel, Tiere. Jeden Abend, wenn wir im Bett liegen, hören wir ihr Schreien – das ist nicht despektierlich gemeint; der Esel schreit, dem sagt man so.

Wir mögen das sehr, es gehört einfach dazu, dieses allabendliche Geräusch. Es vermittelt uns irgendwie das Gefühl von Heimat.

Kann schon ganz laut werden, der Esel.
Kann schon ganz laut werden, der Esel. - AdobeStock

Tatsächlich war es so, dass wir während unseres Jahres in Amerika genau diese Esel vermissten. Dieses tierische Gute-Nacht-Schreien fehlte uns, vielleicht auch, weil uns zu Beginn die Heimat so sehr fehlte.

Bei einem Haustier kondolieren?

Einer dieser drei Esel ist nun vor wenigen Wochen altershalber gestorben. Er war an die 30 Jahre lang ein treuer Begleiter seiner Besitzerin gewesen.

Kurze Zeit später traf ich sie, die Besitzerin. Wir hatten zusammen eine Sitzung für einen Anlass, bei dem ich mithelfen werde. Ich betrat den Raum und hörte gerade noch, wie sie sich bei jemandem für die liebe Karte bedankte, worauf die Verfasserin der Karte der Eselsbesitzerin nochmals kondolierte.

Ich stutzte ganz kurz, hatte ich doch noch nie jemandem für den Verlust seines Haustieres kondoliert, obwohl ich durchaus weiss, wie schmerzhaft der Tod eines solchen sein kann.

Haben Sie schonmal jemandem beim Verlust seines Haustieres eine Karte geschickt?

So begrüsste ich also die Frau und sagte: «Dein Esel ist ja gestorben, gell, das tut mir leid.» Worauf sie mich anschaute und erwiderte: «Also, mein Vater ist gestorben.» Ich hätte in den Boden versinken können.

Eins und eins falsch zusammengezählt

Natürlich hatte ich das nicht gewusst, dass kurz nach dem Ableben des Esels auch ihr Vater gestorben war, aber trotzdem. Als ich es daheim erzählte, schüttelte mein Mann nur den Kopf und meinte, es sei ja wohl klar, dass man niemandem zum Tod des Esels eine Karte schreibe und kondoliere.

Natürlich weiss ich das, aber in dem Moment hatte ich meiner Meinung nach einfach eins und eins zusammengezählt – und war aber eben zum falschen Ergebnis gelangt. Die Frau selber nahm es mir zum Glück nicht übel.

In das allabendliche Schreien der verbliebenen zwei Esel scheint sich mir seit diesem Fauxpas jedoch ein ganz leicht spöttischer Unterton gemischt zu haben...

***

Zur Autorin der Nau-Alltagsgeschichten:

Viviana Hartmann lebt mit ihrer Familie im Zürcher Oberland. Als Primarlehrerin, Mutter, Ehefrau, Tierbesitzerin und Schreiberin wird es ihr nicht langweilig. Sie ist überzeugt: Das Leben schreibt die besten Geschichten.

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