Das Corona-Jahr 2020 war für die Buchbranche ein Desaster. Nur mit Kreativität haben sich Schweizer Buchverlage über die Runden gebracht.
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So mancher Schweizer Buchverlag wird kreativ im Coronajahr 2020, damit seine Bücher für die Kunden überhaupt sichtbar werden. (Archivbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Buchbranche wurde von der Corona-Krise hart getroffen.
  • Dank Kreativität und Solidarität konnten die Schweizer Buchverlage überleben.

Geschlossene Buchläden, abgesagte Lesungen, ausgefallene Messen: 2020 war für die Buchbranche ein Desaster. Nur mit Kreativität haben sich Schweizer Buchverlage über die Runden gebracht.

Es ist kaum zu glauben: Im Corona-Jahr hatten einzelnen Schweizer Buchverlage Glück. So etwa der Zürcher Rotpunkt Verlag, der Fabio Andinas «Tage mit Felice» fast 20'000 Mal verkaufen konnte, nachdem die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) den Roman zum Buch der Stunde ausgerufen hatte.

Allerdings gab es auch «Titel im Unglück», wie Rotpunkt-Co-Leiterin Daniela Koch gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagt. Politische Sachbücher zum Beispiel fanden in den Medien kaum Platz neben dem ominpräsenten Thema Corona.

«Solidarität hat uns durch Lockdown getragen»

Rotpunkt hat sich aber etwas einfallen lassen und während des Lockdowns im Frühling ein sogenanntes «VierzigTageBuch» mit Crowdfunding lanciert. «Viele Kulturschaffende lebten schon vor der Krise von der Hand in den Mund. Jetzt ist selbst das verboten.» Dies notierte die Slam-Poetin Patti Basler dort am Tag 15.

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Die Bühnenpoetin, Kabarettistin, Autorin und Slampoetin, Patti Basler. - Keystone

«Die Verbundenheit mit den Autorinnen und Autoren sowie eine enorme Solidarität haben uns durch den Lockdown getragen», bilanziert Verlegerin Koch. Slampoetinnen sind ansonsten vor allem beim Luzerner Verlag Der gesunde Menschenversand unter Vertrag. Diesen hat die Schliessung von Kulturlokalen besonders hart getroffen.

Verleger Matthias Burki erklärt: «Als Spoken-Word-Verlag sind wir stärker als andere abhängig vom Bücherverkauf an Lesungen, die ja vielfach ausgefallen sind.Diese Einnahmen können wir nicht aufholen.» Mit Open-Air-Lesungen im Sommer hat der Verlag zumindest etwas Gegensteuer geben können.

Lerneffekt und Digitalisierungsschub fanden statt

In Basel hat ein renommierter Schweizer Verlag 2020 sein 50-jähriges Bestehen gefeiert – zumindest theoretisch. «Am 1. November 1970 gründete ein Kollektiv von blutjungen Enthusiasten den Lenos Verlag mit gerade mal 400 Franken Startkapital. Dafür aber mit unbegrenzter Begeisterung für Literatur», steht im Communiqué des Hauses.

Die Medienverantwortliche Lucia Lanz sieht die Pandemie als «Ausnahmesituation», aus der man keine neuen Strategien ableite. Ein gewisser Lerneffekt und ein Digitalisierungsschub hätten aber stattgefunden, «da können wir auch Erfahrungen für die Zukunft nutzen.»

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Tom Forrer, Gründer und Verlagsleiter des Basler Lenos Verlags. - Keystone

Ebenso will der 25-jährige Lokwort-Verlag in Bern an Bewährtem festhalten. «Ich habe keine neuen Strategien aber eine allgemeine Erkenntnis», erklärt Allein-Verleger Bernhard Engler: «Schon wieder überlebt die Buchbranche ein angebliches Todesurteil!»

Mit mehr Neuerscheinungen als üblich sei das Corona-Jahr für ihn «sogar erfreulicher als das vorherige». Zudem seien darunter Titel, die dem «In sich gehen» entgegenkämen. So etwa Balts Nills «vo wäge DO», eine Übertragung des Tao Te King ins Berndeutsche.

Bücher könnten manchmal gar nicht gezeigt werden

Jüngere und insbesondere kleine Verlage wie Die Brotsuppe in Biel suchen eher neue Wege. «Wir müssen selbst mehr direkt verkaufen», findet die Verlegerin Ursi Anna Aeschbacher. «Ich arbeite sehr gern mit den Buchhandlungen zusammen, sie sind meine wichtigsten Partner. Ich sehe aber auch, dass sie nur einen ganz kleinen Teil Bücher aus Schweizer Verlagen verkaufen und unsere Bücher manchmal gar nicht zeigen können.»

Ist ein Buch in den Läden nicht sichtbar, steigen bei der Brotsuppe online die Direktbestellungen. Aeschbacher hat zusammen mit der Edition Hohweg sowie dem Verlag Pudel und Pinscher Neuerscheinungen an ausgewählte Medienleute verschickt.

Roadtrip mit Buch «Tiefseetauchen» geplant

Im Bereich Kommunikation und Marketing will auch der Kommode-Verlag Neues ausprobieren. Geplant ist etwa ein Roadtrip mit der Norwegerin Ida Lødemel Tvedt, deren Buch «Tiefseetauchen» im Frühling erscheint. «Aus Sorge, dass auch dieser Titel unter den Tisch fällt, haben wir beschlossen etwas Ungewöhnliches zu machen.» Dies erklärt Verlegerin Annette Beger.

«Wir werden durch Deutschland reisen, Buchhandlungen besuchen und das Ganze als Social-Media-Doku ins Netz stellen. So erfahren die Leser auf humorvolle Weise etwas über die Prozesse in der Buchbranche», führt Beger aus.

Humor hilft und die erfahrene Solidarität hat die befragten Verlage – es gäbe noch viele mehr – allesamt ermutigt. Trotzdem schauen sie besorgt in Zukunft. «Für eine gewisse Krisen-Zeitspanne waren wir gewappnet», resümiert Annette Beger. «Wenn aber weiterhin Veranstaltungen und Literaturfestivals abgesagt werden und die Medien Sendungen streichen, dann wird es brenzlig.»

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