Prozess in Muttenz BL: Beschuldigter spricht von Erinnerungslücken
Vor dem Baselbieter Strafgericht muss sich ein 60-Jähriger wegen Mordes verantworten – er bestreitet eine Tötungsabsicht.

Der 60-jährige Beschuldigte hat am Montag vor dem Baselbieter Strafgericht in Muttenz BL angegeben, dass er sich an vieles nicht erinnern könne. Ebenfalls wurden forensische Gutachten diskutiert, die den Mann belasten.
Dem Schweizer wird vorgeworfen, im Jahr 2000 einen 21-jährigen Drogendealer bei der St. Jakobshalle in Münchenstein BL erschossen zu haben und mit zwei Kilogramm Kokain geflohen zu sein. Er wurde 2023 in Deutschland verhaftet und an die Schweiz ausgeliefert. Die Baselbieter Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Mordes erhoben.
«Genaue Erinnerungen daran, was genau passiert ist, habe ich nicht», sagte der Beschuldigte am Montag. Er beschrieb Erinnerungsfetzen und hielt daran fest, dass es ein Unfall gewesen sei und er keine Tötungsabsicht gehabt habe. Auch habe er keinen Plan gehabt und sei durch die Sache «durchgestolpert», wie er sagte.
Skepsis von Gericht und Verteidigung
Diesbezüglich zeigten sich das Gericht und die Verteidigung skeptisch. So wollte etwa das Gericht wissen, was sich der Beschuldigte dabei gedacht habe, Kokain im Wert von 130'000 Franken von einer Drogenbande zu stehlen. Und das auf engem Raum in einem Smart, von einem jüngeren und ihm körperlich überlegenen Mann, dem Opfer.
Der Beschuldigte gab an, nicht darüber nachgedacht und Konsequenzen nicht berücksichtigt zu haben. Vielmehr sah er seinen Kokainkonsum als den Grund für die Durchführung seiner Idee, die er selber im Nachhinein als «völligen Schwachsinn» beschrieb.
Im Vordergrund standen am ersten Verhandlungstag auch die forensischen Untersuchungen. Diese ergaben, dass Szenarien einer versehentlichen Schussabgabe im Zuge einer Ladebewegung unwahrscheinlich seien. Als plausibler galt indes die Hypothese einer einhändigen, absichtlichen Schussabgabe.
Zu diesem Zweck waren die verschiedenen Szenarien durchgespielt und dreidimensional rekonstruiert worden. Zudem hatten die Forensiker erfolglos versucht, eine versehentliche Schussabgabe zu reproduzieren, wie sie der Beschuldigte in früheren Aussagen beschrieben hatte.
Verjährung laut Gericht nicht eingetreten
Die von Annette Meyer Lopez präsidierte Fünferkammer sowie die Verteidigung stellten Fragen und liessen sich die Untersuchungen im Detail erklären. Die Plausibilitäten von absichtlicher und versehentlicher Schussabgabe dürften für die Qualifizierung des Vieraugendelikts und dessen potenzieller Verjährung eine entscheidende Rolle spielen.
Die Verjährung wurde ganz zu Beginn der Verhandlung auf Antrag der Verteidigung vom Gericht beraten. Dieses verwies aber auf frühere Urteile des Kantonsgerichts Baselland und des Bundesgerichts zu diesem Fall. Aus ihnen geht hervor, dass die damals geltende Frist von 20 Jahren für Mord zwar zeitlich abgelaufen ist, durch Untersuchungshandlungen aber unterbrochen und neu gestartet worden war.
In sein Leben gab der Beschuldigte nur wenige Einblicke. Er habe eine Ausbildung abgeschlossen und sich dann nebenberuflichen Tätigkeiten verschrieben. Er betonte aber, er habe nicht mit Drogen gehandelt. In den Jahren nach der angeklagten Tötung sei er unterwegs gewesen. Danach sei er mit seiner jetzigen Frau zusammengezogen und sei auch an diesem Wohnort gemeldet.
Psychisches Profil und Waffenarsenal
Ein aus den 1990er-Jahren stammendes Gutachten attestierte dem Beschuldigten eine hohe Intelligenz, gleichzeitig auch narzisstische Züge und den Hang dazu, Menschen in wertvoll und wertlos zu einzuteilen. Er gab am Montag jedoch an, das Gutachten nie gelesen zu haben und verwies stattdessen auf seinen damals behandelnden Psychiater, der es als «unhaltbar» taxiert haben soll.
Zwar gab der Beschuldigte an, «keine Ahnung von Waffen zu haben». Hier stellte das Gericht aber einen Widerspruch zu seinem dokumentierten Arsenal fest. Dieses habe unter anderem aus einer Schrotflinte, eine Pistole und diversen Munitionstypen bestanden. Damit konfrontiert, erklärte der Beschuldigte es verschiedentlich mit einem Sicherheitsgefühl, einer Faszination und einem Hang zum Sammeln.
Die Plädoyers der Parteien sind auf Dienstag angesetzt, die Urteilsverkündung wird am Freitag erwartet. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt die Unschuldsvermutung.