Eine Zürcher SVP-Politikerin mag die weibliche Form nicht ausschreiben. Nun erklärt eine Spezialistin die Gender-gerechte Sprache.
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Warum geschlechter-ungerechte Sprache die Frauen im Alltag kleiner werden und verschwinden lässt. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Interpellation einer SVP-Politikerin wurde in Zürich abgewiesen.
  • Sie hatte nur die männliche Form verwendet, was gegen die Sprachregeln verstösst.
  • Eine Sprachwissenschaftlerin erklärt, warum Frauen stets nur «mit zu meinen» allen schadet

In Zürich wird die Interpellation einer SVP-Gemeinderätin abgewiesen. Der Grund: Sie hat nur die männliche Form, das sogenannte generische Maskulinum, verwendet.

«Frauen sind mitgemeint», erklärte die erboste Politikerin. In einem Text jeweils beide Geschlechter zu nennen, sei «nicht mein Stil».

Susanne Brunner
Die Zürcher SVP Politikerin Susanne Brunner posiert am 19.02.18 für ein Portrait in Zürich. - Keystone

Wie wichtig ist es tatsächlich, beide Geschlechter zu nennen? Wie gross der Schaden, wenn Frauen nur «mitgemeint» werden? Das wollte Nau von Christiane Hohenstein wissen.

Sie ist Professorin für Interkulturalität und Sprachdiversität an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).

Das «Mitgemeint» der SVP schadet uns

Hohenstein erklärt an einem Beispiel, warum «mitgemeint», nicht reicht. «Wer bei einer Stellenausschreibung die weibliche Form des Berufs oder der Position nicht nennt, erhält viel weniger Bewerbungen.»

Das hätten diverse Studien nachgewiesen. Der Grund: «Eine grosse Zahl Frauen bewirbt sich gar nicht erst.»

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Nur, wenn Frauen in Stelleninseraten explizit angesprochen werden, bewerben sie sich auch auf die Stelle. - Pixabay

Damit verzichte das Unternehmen bewusst «auf einen Grossteil hoch qualifizierter Bewerberinnen». In Zeiten des Fachkräftemangels fragt Hohenstein: «Können Organisationen sich das überhaupt leisten?»

Sprache beeinflusst den Alltag

Dazu kommt ein weiterer Punkt: «Werden bei Ausschreibungen von Führungspositionen nicht explizit Frauen angesprochen, werden diese Positionen weiterhin überwiegend von Männern besetzt.» Damit habe die Sprache einen sehr konkreten Einfluss auf die Gesellschaft und ihren Alltag.

Warum also der vehemente Kampf gegen geschlechter-gerechte Sprache?

Sprache entsteht nicht natürlich

Verantwortlich müsse gar nicht unbedingt eine «patriarchale Denkweise» sein, so Hohenstein. Oft treibe die Verfechter es generischen Maskulinums eine «sprachkonservative Haltung» an. «Diese Personen gehen davon aus, dass man in die Sprache nicht «künstlich» eingreifen sollte.»

Sprachforscherin Gender SVP
Christiane Hohenstein ist Professorin für Angewandte Linguistik an der ZHAW. - ZHAW

Allerdings entgeht ihnen ein wichtiges Detail. «Sprache entwickelt sich nicht natürlich», so Hohenstein. «Sie wurde und wird im öffentlichen Leben, in der Bildung und im Beruf durch Eingriffe geformt.»

Beispiele dafür seien Dudenregeln und die Rechtschreibreform. «Sie sind immer umstritten, tragen aber zur Standardisierung und dem besseren Verständnis einer Sprache bei.»

Mangelndes Wissen Schuld

Oft sei auch mangelndes Wissen Grund für Geschlechter-ungerechte Sprache. «Viele denken, ihre Kommunikation habe immer schon gut funktioniert.» Dann sei es nicht einfach einzusehen, «warum die eigenen Kommunikationsformen umgestellt werden sollten.»

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Wer das Wort Arzt hört, denkt in der grossen Mehrheit automatisch an einen Mann, nicht an eine Frau. - Keystone

Diese Denkweise zeigt sich oft bei nicht-wissenschaftlichen Umfragen. Professionelle Studien hingegen zeigen immer wieder. Frauen fühlen sich beim generischen Maskulinum nicht angesprochen. Männer denken beim generischen Maskulinum eher an einen anderen Mann, als an eine Frau.

Männliche Form als «Urform»?

Dennoch steht oft eine Frage zum generischen Maskulinum im Raum. Ist diese männliche Form nicht so oder so die «Urform»?

Das weibliche Pendant eine neue Erfindung, die die männliche Form überhaupt erst den Männern zuordnet? Hohenstein lacht, dann schüttelt sie den Kopf.

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Das generische Maskulinum als Urform und darum als korrekt zu bezeichnen, wäre einigermassen überholt, erklärt die Sprachwissenschaftlerin. - Keystone

Bei einer solchen Argumentation müsse man sich als erstes eine wichtige Frage stellen. «Sprechen wir heute in einer «Urform» unserer Sprache? Nein.»

Täten wir das, so die Professorin, müssten wir auf eine Sprachstufe zurück, in der Artikel noch gar nicht verwendet wurden. Nomen waren damals weder männlich, noch weiblich oder neutral. «Man müsste dann eher von «Unikum» sprechen», so Hohenstein.

Frauenform ausschreiben am einfachsten

Während das Englische – und viele andere Sprache – damit gut funktioniert, hat die Deutsche Sprache sich anders entwickelt.

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Zwei Polizistinnen? Zwei Polizisten? Eine Polizistin und ein Polizist? Wann sind wirklich alle benannt? - Keystone

«Das zu ändern, würde ein massives Umdenken für uns bedeuten. Unsere Grammatik müsste neu geschrieben, neue Regeln festgelegt werden. Es wäre ein unvergleichbar höherer Aufwand, als die Forderung, Texte einfach so zu schreiben, dass Frauen da, wo sie mitgemeint sind, auch explizit genannt werden.»

Denn eine gleichberechtigte Gesellschaft erfordere nun mal eine Sprache, die «Frauen gleichwertig, als Menschen, nicht als Unterkategorie des Mannes behandelt.»

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