Zwei Kinder aus Basel sollen geimpft werden, gegen den Willen der Mutter. Ein Rechtsprofessor bewertet den Fall.
Masernimpfung
Eine von der KESB Gelterkinden-Sissach angeordnete Masernimpfung für zwei Kinder sorgt für Schlagzeilen. (Symbolbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Anordnung einer Masernimpfung an zwei Kindern schlägt hohe Wellen.
  • Der Fall warf viele Fragen auf und sorgte für lautstarke Proteste.
  • Rechtsprofessor Roland Fankhauser ordnet gegenüber Nau.ch den Fall ein.

Zwei Basler Kinder sollen gegen den Willen der Mutter, dafür mit dem des Vaters geimpft werden – so entschied das Bundesgericht. Dieser Entscheid sorgte für hitzige Diskussionen und mächtig Wirbel. Es handle sich um eine staatlich angeordnete Zwangsimpfung, sagen Kritiker.

Nun soll die zuständige KESB Gelterkinden-Sissach die angeordnete Masernimpfung durchsetzen. Die beiden betroffenen Buben schwänzten aus Angst vor der Zwangsvollstreckung darum die Schule. Sie fürchten, auf dem Schulweg abgefangen zu werden.

Werden also bald in der ganzen Schweiz Kinder zwangsgeimpft, so wie es Kritiker befürchten? Auf Anfrage von Nau.ch ordnet Rechtsprofessor Roland Fankhauser den Entscheid ein.

Impfzwang nur schwer ableitbar

Der Rechtswissenschaftler gibt in einem ersten Schritt Entwarnung: Aus dem Bundesgerichts-Entscheid lasse sich grundsätzlich kein Präzedenzfall für Zwangsimpfungen ableiten. Daher seien die Auswirkungen auf die Allgemeinheit gering.

Sind Sie gegen Masern geimpft?

Fankhauser: «Dass eine gemäss BAG empfohlene Impfung angeordnet wird, ist nur dann der Fall, wenn sich die Eltern nicht einig sind.» Nur in seltensten Fällen würden entsprechende Diskrepanzen der Erziehungsberechtigten zu einem solchen Rechtsstreit führen.

Impfanordnung aus Sissach «nicht repräsentativ»

Die Angst vor staatlich angeordneten Impfungen gegen den Willen der Erziehungsberechtigten sei daher unberechtigt. Fankhauser stuft den Fall als «nicht repräsentativ» ein.

Nichtsdestotrotz wurde in diesem Fall aus seiner Sicht zumindest teils unglücklich begründet. Denn das Bundesgericht erkannte die von der KESB festgestellte «Kindeswohlgefährdung» an.

Dr. Roland Fankhauser
Der Rechtsprofessor Dr. Roland Fankhauser ordnet den fall für Nau.ch ein. - Keystone

Gefährdend sei dabei der Konflikt der Eltern und die damit zusammenhängende Pattsituation, und nicht eine allfällige Nichtimpfung an sich.

Fehlende Verhältnismässigkeit problematisch

Die Durchsetzung der Massnahme stellt sich in diesem Fall jedoch als schwierig heraus: Im Regelfall würde die KESB mit klassischen Unterstützungsmassnahmen wie professioneller Beratung versuchen, die Anordnung durchzusetzen.

Nun trifft die Behörde jedoch auf hartnäckigen Widerstand, einerseits von der Mutter, andererseits auch von Gruppen wie den «Freiheitstrychlern». Das stelle die Behörde vor eine heikle Aufgabe.

Impfen
Nach Differenzen der Erziehungsberechtigten ordnet die Baselbieter KESB eine Impfung an.
Bundesgericht
Nach dem der Entscheid weitergezogen wurde, erkannte das Bundesgericht die Anordnung an.
KESB
Dioe KESB Gelterkinden-Sissach muss diesen Entscheid nun durchsetzen und sah sich mit Gegenwehr unter anderem von Freiheitstrychlern konfrontiert

Denn wie soll eine Impfung durchgeführt werden, gegen die sich die Betroffenen wehren? Der Einschätzung Fankhausers zufolge wäre es wohl unverhältnismässig, diese Anordnung mit körperlichem Zwang durch die Polizei durchzusetzen. Verunmöglicht der Widerstand hingegen den Vollzug ohne drastischere Druckmittel, stünde die KESB vor einem schier unlösbaren Problem.

Fankhauser erklärt: «Gibt die KESB nach, sorgt sie dafür, dass mit genügend Obstruktion einfach erreicht wird, dass Kindesschutzmassnahmen nicht umgesetzt werden.»

KESB vor heiklem Entscheid

Aus rechtlicher Sicht steht die KESB demnach vor einem heiklen Entscheid. Ganz grundsätzlich muss die Massnahme durchgezogen werden, die Frage nach dem wie, scheint zu einem grossen Problem zu werden.

Ob die Basler Buben mittlerweile schon geimpft sind oder wann sie das werden, will die KESB Gelterkinden-Sissach auf Anfrage von Nau.ch nicht sagen.

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