«Dok»-Film zeigt Kriegs-Szenarien in Schweiz – Angstmacherei?

Simon Ulrich
Simon Ulrich

Bern,

Der Nachrichtendienst sieht die Schweiz schlecht gewappnet gegen moderne Kriegsführung. Drohnen und Raketen könnten kaum abgewehrt werden.

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Oberst Stefan Holenstein erklärt, wie ein Angriff auf die Schweiz aus der Ferne ablaufen könnte. - SRF «Dok»

Das Wichtigste in Kürze

  • Der MND warnt: Die Sicherheitslage rund um die Schweiz hat sich stark verschlechtert.
  • Ein Drohnenangriff aus der Ferne sei nicht mehr auszuschliessen, warnt ein Militärexperte.
  • Die GSoA kritisiert das Szenario als übertrieben und will die Armee weiterhin abschaffen.

Der militärische Nachrichtendienst (MND) warnt: Die Sicherheitslage rund um die Schweiz hat sich in den letzten Jahren stark verschlechtert.

Ein Angriff über Land sei zwar wenig wahrscheinlich, aber moderne Kriege würden auch aus grosser Entfernung geführt.

Die Schweiz sei durch ihre geografische Lage nicht mehr automatisch geschützt, so der MND.

«Das kann Hunderte, Tausende Tote geben»

Stefan Holenstein, Präsident des Verbands militärischer Gesellschaften Schweiz, erklärt gegenüber SRF «Dok»: Ein Angriff mit Raketen, Drohnen oder Marschflugkörpern – zum Beispiel aus Kaliningrad – sei möglich.

Ziele wären kritische Infrastrukturen wie der Flughafen Zürich oder das Bundeshaus. «Das kann Hunderte, Tausende Tote geben», warnt Holenstein. Vor allem, wenn mehrere aufeinanderfolgende Drohnenangriffe erfolgen würden.

Auch wenn aktuell keine konkreten Angriffspläne bestehen, könnten sich laut dem MND Absichten rasch ändern. Schneller, als die Schweiz Abwehrsysteme beschaffen könnte.

Ab 2027 ist laut ausländischen Geheimdiensten ein russischer Angriff auf Europa möglich. Die Schweiz sei aktuell schlecht auf einen solchen Fall vorbereitet.

Divisionär Rolf André Siegenthaler sagt klar: «Die Schweizer Armee ist nicht verteidigungsfähig.»

Nur 20 Prozent des Luftraums aktuell geschützt

Armeechef Thomas Süssli ergänzt, dass man die Verteidigungsfähigkeit mit 50 Milliarden Franken wiederherstellen müsse.

Die derzeitige Ausrichtung der Armee stammt aus dem Jahr 2003 («Armee XXI»). Damals stand Hilfeleistung im Vordergrund, nicht die Verteidigung.

Seither sei es nur darum gegangen, das Wissen für die Verteidigung zu bewahren, sagt Süssli. Der Bundesrat habe bislang keine neue Ausrichtung beschlossen.

Ein Luftangriff aus der Distanz wäre laut Holenstein heute kaum abwehrbar. Nur 20 Prozent des Schweizer Luftraums seien geschützt. Neue Kampfjets (F-35) und das Patriot-System kommen frühestens nach 2027.

Ein Angriff aus der Ferne mit Drohnen oder Raketen sei nicht mehr auszuschliessen.

Nur eine von vier Artillerieabteilungen vollständig ausrüstbar

Auch am Boden sei die Schweiz schlecht aufgestellt: Die Artillerie wurde abgebaut. Von ursprünglich 564 Panzerhaubitzen sind nur noch 133 übrig.

Doch einsatzbereit seien davon nur wenige. Laut Süssli kann nur eine von vier benötigten Artillerieabteilungen vollständig ausgerüstet werden.

Holenstein sagt: «Die meisten Haubitzen sind kaputt oder fahren gar nicht mehr.» Es fehle auch an Munitionstransportern und Sensoren, um die Systeme zu betreiben.

Die offiziellen Zahlen des VBS seien irreführend, weil sie nicht zeigen, wie viel wirklich funktioniert.

Ähnlich ist es bei den Kampfpanzern: Für sechs Bataillone wären 168 Panzer nötig. Die Armee hat aber nur 134 Leo 87 WE, von denen nur 56 einsatzbereit wären.

Trotzdem sieht der Armeechef darin keine Irreführung – die Panzer seien vorhanden, aber die Führungsinstrumente fehlen.

«Angriff auf Schweiz nur möglich, wenn Putin Nato geschlagen hätte»

Von den düsteren Szenarien der Militärexperten will die Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) nichts wissen. Sie will die Armee nach wie vor abschaffen – Putin hin oder her.

Jo Lang vom GSoA-Vorstand sagt: «Ein Angriff Russlands auf die Schweiz ist nur möglich, wenn er die Nato geschlagen hätte.»

Russlands Armee sei der Nato jedoch weit unterlegen. Einen Frontalangriff auf die Nato-Staaten erachtet Lang daher als unwahrscheinlich.

Glaubst du, in der Schweiz könnte es in den nächsten Jahren Krieg geben?

Trotz dieser Gegenstimmen: In der Kommentarspalte auf Youtube wird SRF teils vorgeworfen, in seinem Dokumentarfilm ein unnötig düsteres Szenario zu zeichnen.

«Sorry, aber das ist äusserste Schwarzmalerei. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass morgen ein Asteroid auf Bundesbern knallt. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist einfach sehr klein», meint ein Youtube-User.

Ein anderer: «Diese Doku würde ich unter unnötiger Angstmacherei ablegen. Schade.»

Beanstandung bei SRG-Ombudsstelle

SRF weist diese Kritik auf Anfrage von Nau.ch zurück. Im DOK-Film kämen verschiedene Experten zu Wort, sagt Mediensprecher Roger Muntwyler.

«Das Szenario, das Stefan Holenstein – gestützt auf den militärischen Nachrichtendienst – skizziert, wird von der Journalistin hinterfragt. Auch die GSoA äussert ihre Skepsis.»

Zuschauer beanstandet Doku bei Ombudsstelle

Bei SRF seien bislang keine Beanstandung eingegangen. Stand Dienstagnachmittag gab es eine negative sowie eine positive Rückmeldung aus dem Publikum.

Eine Beanstandung verzeichnet hingegen die SRG-Ombudsstelle. Allerdings nicht bezugnehmend auf die düsteren Szenarien, sondern wegen der Aussagen des Politikers Roderich Kiesewetter.

Es gehe nicht an, dass er als Deutscher Kritik an der Neutralitätsauslegung der Schweiz übe, so die Beschwerde.

«Diese Beanstandung haben wir nicht unterstützt», schreibt die Co-Leitung der Ombudsstelle.

Kommentare

User #3889 (nicht angemeldet)

Ich bin pensionierter schweizer und lebe heute im Ausland. Ich muss dem MND recht geben. Die Schweizer Armee lebt heute im 18. Jahrhundert. Die Schweiz hätte heute keine Überlebens Chance; kein Abwehrschild gegen Drohnen und Raketen. Die Schweiz hat zuviel Geld für Humanitäre, sowie Katastrophen Hilfe ausgegeben, ich sehe das täglich in dem Land wo ich heute lebe. Wir haben hier alles... bekommen vom Ausland insbesondere von der Schweiz, und die Schweiz hat das Nachschauen. <Beste>....?

User #5878 (nicht angemeldet)

Vom Video hier ist bei mir hängengeblieben : " .. und und und". Was sonst noch was wichtiges dabei ?

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