Eine Zürcher Abschlepp-Firma macht das grosse Geld wohl eher mit Abzocke statt mit seriösem Abschleppdienst. Eine Betroffene erzählt ihre Horror-Story.
Parkplatz
L. parkierte ihr Auto auf dem Parkplatz ganz rechts, direkt neben dem Mülldepot. - zVg
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Das Wichtigste in Kürze

  • Eine 21-jährige Studentin wurde in Zürich von einem Abschleppdienst erpresst.
  • Die Firma wollte deren Auto nur gegen sofortige Bezahlung von 750 Franken herausrücken.
  • Die Polizei rät zu einer Anzeige wegen Nötigung.

Es klingt wie eine schlechte Folge der RTL-Serie «Betrugsfälle». Doch was in Zürich passiert, ist bittere Realität.

Es ist die Nacht von Donnerstag auf Freitag, den 16. Oktober. Eine 21-jährige Studentin sucht nach ihrem Spätdienst um ein Uhr nachts einen Parkplatz in einem Wohnquartier in Zürich.

Hier hatte die Studentin in der Nacht parkiert. - Nau.ch

Alle Parkplätze in der blauen Zone sind besetzt, einige Autos sind gar neben den Feldern parkiert. Doch L. will keine 40-Franken-Parkbusse riskieren. Sie findet schliesslich eine Parklücke, die Felder sind jedoch gelb und nummeriert – also vermietet. Sie geht nicht davon aus, dass der Besitzer nachts um diese Zeit noch nach Hause kommt und entscheidet sich, ihr Auto trotzdem auf dem Feld abzustellen.

Doch am nächsten Tag folgt das böse Erwachen. Als die junge Frau das Haus verlässt, um wieder zur Arbeit zu gehen, ist der besagte Parkplatz leer. Kurzerhand ruft sie die Polizei an, um zu fragen, ob die Beamten ihr Auto abgeschleppt hätten. «Das ist Privatgrundstück, dort darf die Polizei nicht abschleppen», lautet die Antwort.

Zeit, Geld und Angst als Druckmittel

Mit dem Zeitdruck im Rücken, zur Arbeit gehen zu müssen, klappert L. telefonisch jeden Abschleppdienst in der Umgebung ab. Nach mehrmaligen Absagen endlich ein «Erfolg»: Das Unternehmen «Autohilfe 24» bestätigt, der gesuchte Abschleppdienst zu sein. Sie könne sofort vorbeikommen und ihr Auto abholen, es sei in der Tiefgarage des Glattparks untergestellt.

So macht sich L. mit ihrer Freundin auf den Weg. Die beiden Frauen werden am Eingang des Glattbrugg-Zentrums von einem unheimlich wirkenden Mann abgefangen und mit dem Lift in eine Tiefgarage geführt. Da wusste sie noch nicht, wie unerfreulich das Ganze noch enden würde.

Abschleppdienst verlangt 750 Franken

Hier warten ein weiterer Mann und das abgeschleppte Auto auf sie. Jetzt geht alles schnell: Der zweite Mann hält L. die Rechnung unter die Nase. Die Grundabschleppgebühr beträgt 550 Franken. Dazu kommt ein Nachtzuschlag von 50 Franken – schliesslich rückte Autohilfe 24 extra um drei Uhr morgens aus. Ebenso verlangen die Abschlepper 100 Franken für die Rollen, mit welchen sie das Auto aus dem Parkplatz herausholen mussten. Zusätzliche 50 Franken kommen dazu, da der Wagen angehoben werden musste. Richtig gezählt, L. soll 750 Franken bezahlen.

Mit Begleitung zum Bankautomaten

Die junge Frau ist schockiert: Wie soll sie auf die Schnelle diesen Betrag bezahlen können? Als sie um eine Rechnung bittet, heisst es, dies sei möglich – der Aufpreis betrage jedoch 120 Franken für administrative Kosten. So bleibt L. keine grosse Wahl. Sie hat Angst – schliesslich sind die Frauen in dieser Tiefgarage allein mit zwei unbekannten Männern. Dazu kommt, dass die beiden kaum Deutsch sprechen, die Verständigung ist äusserst schwierig. Zudem trägt der eine Mann eine GoPro um den Hals und filmt das ganze Geschehen.

Rechnung
Die Rechnung welche Autohilfe24 L. ausgestellt hatte. - zVg

So entscheidet sich L., zuerst einmal ihre Kreditkarte mit 700 Franken zu belasten. Da die Limite nicht reicht, entscheiden sich die beiden Typen, dass einer von ihnen die junge Frau zu einem Bankautomaten begleitet. Dort soll sie die übrigen 50 Franken abheben, um die ganze Rechnung zu begleichen – dann könne sie gehen.

Als der Typ sein Geld hat, fährt er davon und L. bleibt zurück in ihrem Auto, sie kann das Geschehene noch gar nicht richtig fassen. Mit zittrigen Beinen und heilfroh, endlich diesen dubiosen Männern entkommen zu sein, fährt sie mit zwei Stunden Verspätung und um 750 Franken ärmer zur Arbeit.

Unternehmen rät der Frau zur Anzeige

Mit dem Geschehenen konfrontiert, rät «Autohilfe 24» der jungen Frau zu einer Anzeige wegen Erpressung und Nötigung – gegen das eigene Unternehmen. Dies wäre nicht der erste Rechtsfall. Bereits andere Medien haben vor Jahren über dieses Vorgehen von «Autohilfe 24» berichtet.

Bewusst auf Falschparkierer ausgerichtet

Im Kanton Zürich haben sich einige Abschleppfirmen auf Falschparkierer spezialisiert, wie Marc Surber vom Mediendienst der Stadtpolizei Zürich auf Anfrage erklärt. Diese Firmen bewirtschaften für viele Eigentümer und Mieter Parkplätze und Areale, indem sie das Gebiet umrunden und Falschparker systematisch abschleppen.

Ein bis vier Anzeigen gingen bei der Stadtpolizei Zürich pro Monat von Falschparkierern ein. Meist gehe es darum, dass das Fahrzeug nicht ohne eine Vorauszahlung wieder ausgehändigt wird. So wie es vor einer Woche auch der Studentin L. passiert ist.

Im Factsheet «Abschleppen ab Privatgrund» der Polizei steht, dass gemäss Auftragsrecht nach Obligationenrecht derjenige die Kosten des Abschleppunternehmens bezahlen muss, der dieses aufbietet. «Zudem ist das Zurückbehalten eines abgeschleppten Fahrzeugs zum Eintreiben von Kosten nicht rechtmässig. Es besteht kein Retentionsrecht am abgeschleppten Fahrzeug

Das abgeschleppte Fahrzeug dürfe also nicht zurückbehalten werden, bis die Kosten beglichen sind, andernfalls könne der Tatbestand der Erpressung oder Nötigung erfüllt sein.

Studentin L. zeigt das Unternehmen an

L. hat mittlerweile den Polizeiposten in ihrem Wohnkanton Bern aufgesucht und will Anzeige gegen das Unternehmen erstatten. Einem der Polizisten war ein ähnlicher Fall bekannt, bei dem das Opfer die Firma wegen Nötigung angezeigt hatte und dabei Recht erhielt. Auch im Fall von L. wird die Justiz entscheiden, ob sie zur Geldausgabe genötigt wurde.

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