Der russische Präsident nutzt die Regionen im Südkaukasus gezielt aus, um seine Macht in der Welt zu präsentieren.
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Der russische Präsident Wladimir Putin und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Treffen im Schloss Meseberg nahe Berlin. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Mit ihrem Besuch im Südkaukasus will Angela Merkel den Anschluss an die Region sichern.
  • Gleichzeitig versucht Russland, den Einfluss auf Georgien weiter zu verstärken.

«Ja», sagt Angela Merkel nachdenklich, als sie an der Verwaltungsgrenzlinie beim georgischen Ort Odzisi durch ein Fernglas blickt, hinüber in das von Russland kontrollierte Südossetien. Der Kanzlerin wird klar, in welcher misslichen Lage die dort verbliebene Bevölkerung ist: Miserable Gesundheitsversorgung und massiver Bevölkerungsschwund; die Arbeitslosigkeit immens. Viele junge Leute gehen weg, und zwar nicht nur nach Georgien – die Grenze wird ohnehin immer undurchlässiger. Nein, viele Jugendliche suchen Arbeit in Russland.

Der russische Präsident Wladimir Putin zieht die Schrauben immer fester. Georgiens Spuren sollen in Südossetien systematisch verwischt werden: Georgisch als Unterrichtssprache wurde aus den Lehrplänen gestrichen, zweite Amtssprache ist Russisch, mit Rubel wird bezahlt. Immer wieder sprechen südossetische Politiker davon, mit einem Referendum über die Eingliederung nach Russland abstimmen zu lassen.

Die abtrünnige Region befindet sich in einem internationalen Schwebezustand, genau wie das weiter westlich gelegene Abchasien. Sie bekommen von Moskau militärische und vor allem finanzielle Rückendeckung. Russland pumpte in den vergangenen zehn Jahren rund 50 Milliarden Rubel in den Wiederaufbau der teilweise durch den Krieg zerstörten und maroden Infrastruktur Südossetiens, das etwas grösser als das Saarland ist. Russland stellt Strom, Gas und medizinische Versorgung zur Verfügung.

Aus georgischer Sicht nutzt Moskau die beiden Regionen als Spielball, um Einfluss auf die Politik in Tiflis zu nehmen. «Putin will seine Nachbarregionen destabilisieren, um so seine Macht in der Welt zu zeigen», sagt der Politologe Paata Sakareischwili von der Tifliser Universität der Deutschen Presse-Agentur. Seiner Ansicht nach war Georgien ein Testfall, wie weit Moskau auf die ehemaligen Sowjetrepubliken Einfluss nehmen könne.

Der westlich orientierte damalige Präsident Michail Saakaschwili liess sich schliesslich im August 2008 zu einem Angriff provozieren, um die Provinzen zurückzuerobern. Daraufhin schickte Putin Panzer und Raketenwerfer bis in das georgische Kernland hinein und besiegte das georgische Militär in kürzester Zeit.

Hunderte Menschen starben, Zehntausende leben seitdem in Georgien als Flüchtlinge. Das Friedensabkommen wird seitdem von einer EU-Beobachtermission genau überwacht. Bis heute beharren beide Seiten weiter auf ihren territorialen Anspruch: Georgien sieht die Regionen als Teil ihres Gebietes, Russland hält die Hand über die – aus seiner Sicht – unabhängigen Staaten.

Europa muss sich anstrengen, die Verbindung in die Südkaukasusregion zu halten, ohne Putin zu weiteren Übergriffen zu reizen. An EU- oder Nato-Beitritt ist dabei nicht zu denken.

Von den drei südkaukasischen Ländern, die Merkel bis Samstag bereist, steht wohl Aserbaidschan Russland am nächsten. Staatspräsident Ilham Aliyev führt ein hartes Regime. Unbeeindruckt verweigerte er dem Bundestagsabgeordneten Albert Weiler die Einreise unter Androhung einer Festnahme direkt am Flughafen.

Merkel musste das schlucken. Denn Weiler musste wissen, dass er Ärger bekommt. Er war 2014 und 2016 in die Region Berg-Karabach gereist. Um das Gebiet schwelt seit den 1990er Jahren ein Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien. FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff bringt es wohl auf den Punkt. «Die Bundesregierung kann sich ihre Diplomatie nicht von abstrusen Reisezielen einzelner Abgeordneter kaputt schiessen lassen», sagte er dem «Spiegel».

Letztlich kann Merkel nicht darauf verzichten, mit Aliyev zu reden. Sie will Gas von ihm. Dabei muss Aliyev seinerseits gut aufpassen, wie viel er ihr gibt. Denn liefert er zu viel in den Westen, steigt ihm Putin aufs Dach. Merkel kann auch ihm nicht nur ihren Ärger über Aliyevs autoritären Führungsstil und dessen Menschenrechtsverletzungen unter die Nase reiben, sie muss schon auch ihn und seine Wünsche anhören.

Dabei gäbe es vieles zu kritisieren. Erinnert sei an die Anfang des Jahres öffentlich gewordenen Versuche Aliyevs, westliche Politikerinnen und Politiker, wenn nicht zu bestechen, so doch in seinem Sinne zu beeinflussen. Ein Bericht einer vom Europarat beauftragten unabhängigen Kommission bezichtigte im April eine Reihe von Abgeordneten des Europarats, über Jahre Berichte über das autoritär geführte Aserbaidschan äusserst wohlwollend verfasst zu haben. Verdächtigt wird auch eine CDU-Bundestagsabgeordnete.

Merkel muss also verhandeln, ohne den Eindruck zu erwecken, es gebe keine Alternativen für Deutschland und die EU. Doch amerikanisches Gas ist derzeit noch zu teuer, das wissen auch Aliyev und Putin.

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