Im Engadiner Bergdorf Pontresina stehen die Chancen auf Steinbocksichtungen ausgezeichnet. Dabei waren die versierten Kletterer hierzulande einst ausgerottet.
Steinböcke in Pontresina
In Pontresina stehen die Chancen auf Steinbockbegegnungen gut. - Pontresina Tourismus / Mattias Nutt
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Das Wichtigste in Kürze

  • Einst ausgerottet, gibt es heute in der Schweiz wieder eine grosse Steinbockpopulation.
  • In Pontresina stehen die Chancen auf eine Begegnung besonders gut.

Der wohl prominenteste Einwohner Pontresinas begrüsst uns schon am Dorfeingang. Mächtig thront er auf einer Brücke in der Mitte des Kreisels, daneben das Ortswappen: Willkommen im Reich des Steinbocks!

Das Exemplar an der Strasse mag zwar aus Bronze gefertigt sein. Jeweils im Frühjahr kommen die Steinböcke aber auch in vivo bis nach Pontresina herunter.

Dann nämlich verlassen die versierten Kletterer des Futters wegen ihr Stammgebiet in Höhenlagen von bis zu 3500 Meter. Und sättigen sich an den frisch gesprossenen, grünen Grashalmen in den Niederungen.

Die Alp Languard be Pontresina.
Mit oder ohne Steinböcke: die Alp Languard lockt mit malerischen Wanderwegen. - Pontresina Tourismus / Gian Giovanoli

Bis zu 50 oder 60 Tiere finden sich aufs Mal auf dem Gelände der Oberengadiner Gemeinde ein. Das tun die Steingeissen und Steinböcke solange oben der Winter und unten der Frühling herrscht.

«Sie mögen den Schnee nicht so, mit ihren kurzen Beinen» schmunzelt Ursin Maissen, Geschäftsführer von Pontresina Tourismus.

Selbst in Pontresina aufgewachsen, ist er sich die Gegenwart des Bündner Wappentiers zwar längst gewohnt. Minder beeindruckend findet er sie deshalb aber nicht.

Doch auch wenn es toll sei, dass die Tiere bis ins Dorf kämen; so richtig atemberaubend sei es, den Klettermeistern in den Bergen, ihrem eigentlichen Refugium begegnen zu dürfen. Etwa auf einer Krete, oder einem Piz. «Das ist dann die Königsdisziplin.»

Gejagt und vertrieben

Selbst wenn sich die Tiere im Sommer in höhere Gefilde zurückziehen, sind sie immer noch häufige Begleiter auf Ausflügen. Ganz so mühelos wie beim Dorfbesuch mag die Begegnung auf einer Wanderung vielleicht nicht ausfallen – dafür umso spezieller.

Besonders wer sich einer der vom Tourismusbüro geführten Exkursionen anschliesst hat sehr gute Chancen auf eine Steinbockbegegnung in freier Natur.

Steinböcke im Frühling.
Im Frühling kommen die Steinböcke bis ins Dorf hinunter. - Pontresina Tourismus

Die Albris-Kolonie, zu denen die hiesigen Tiere gehören, zählt mit rund 1800 Steinböcken zu den grössten Kolonien im ganzen Alpenraum. Und die Population wächst. Nur zu leicht geht dabei vergessen, dass das Bündner Wappentier in der Schweiz einst komplett ausgerottet war. Gejagt wurde der Steinbock nachweislich schon in der Steinzeit.

Ihre geringe Scheu und leichte Auffindbarkeit machte die Tiere zu leichten Opfern. Erst recht mit Aufkommen von Feuerwaffen, schlechten Erntejahren, und zunehmenden Waldrodungen. Ein 1612 verhängtes striktes Jagdverbot kam zu spät; in Graubünden war der Steinbock bis 1640 ausgerottet, das letzte Tier der Schweiz schliesslich 1809 im Wallis erlegt.

Raubzug in Italien

Dass es heute Steinböcke in Hülle und Fülle gibt, ist der Jagdfreude des italienischen Königs Vittorio Emanuele II zu verdanken. Um genug der schwindenden Tiere für die eigene Jagd zu erhalten, setzte er in seinem Hoheitsgebiet Anfang des 19. Jahrhunderts rigorose Schutzbestimmungen durch.

Ende des 19. Jahrhunderts gab es deshalb im königlichen Jagdgebiet zwischen dem Aostatal und dem Piemont noch Steinböcke. Und genau darauf wurde gespienzelt, als 1875 die angestrebte Wiederbesiedlung im ersten schweizerischen Jagdgesetz festgeschrieben wurde.

Geschmuggelt, aufgezogen, ausgesetzt

Da die klassische Diplomatie auf höchster Ebene keine italienische Steinbocklieferung zu bewirken vermochte, nahm sich ein St. Galler Hotelier und Steinbockfreund der Sache an. Über Kontakte zur Wilderer-Szene im Aostatal wurden ab 1906 über drei Jahrzehnte hinweg fast 60 Steinbockkitze gefangen. Zuerst schmuggelte man sie nach St. Gallen, später auch nach Interlaken.

In dortigen Wildpärken wurden die Steinböcke aufgezogen und schliesslich ausgesetzt. So auch auf dem Gebiet des heutigen Schweizer Nationalparks im Kanton Graubünden. Schweizweit gibt es mittlerweile deshalb wieder um die 17'000 Tiere.

Erlebniswelt mit Steinbockpromenade, Exkursionen und Spielplatz

Heute wird viel Wert darauf gelegt, die Steinböcke möglichst unbehelligt zu lassen. «Der Steinbock ist ein Wildtier, und so wollen wir ihn auch behandeln» sagt Ursin Maissen. Besucher werden angehalten, angemessenen Abstand zu halten – selbst wenn sich die Tiere manchmal direkt auf dem Gehweg befinden.

Zur Sensibilisierung und Wissensvermittlung sind eigens sogenannte «Steinbock-Ranger» im Einsatz.

Kinder auf dem Spieplatz.
Spiel und Spass auf dem Spielplatz im Steinbock-Paradies. - Pontresina Tourismus / Gian Giovanoli

In Pontresina lässt es sich auf der kinderwagenfreundlichen «Steinbockpromenade» das ganze Jahr über in die Welt des Bündner Wappentiers eintauchen. Ebenfalls im Rahmen des «Steinbock-Paradies Pontresina» wurden auf der Alp Languard eine Galerie und ein Spielplatz eingerichtet. Zu finden direkt neben der Sessellift-Bergstation auf 2332 Metern.

Und mittels «Steinbock-Pass» erhalten Gäste Tipps für Routen und Gebiete, wo man die Steinböcke mit etwas Glück vom Wanderweg aus erspähen kann.

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