Zentimeterdicke Stahlplatten und Fensterscheiben. Gepanzerte Fahrzeuge sind rollende Festungen und schützen vor Angriffen. Wie werden sie gebaut und geprüft?
Limousine Mercedes Seitenansicht Einschusslöcher
Auto oder schon Schweizer Käse? Ein gepanzertes Auto, hier der Mercedes-Maybach S 650 Pullman Guard, soll bewaffneten Angriffen so lang wie möglich standhalten. - Daimler AG/dpa-tmn
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Das Wichtigste in Kürze

  • Gepanzerte Sonderschutzfahrzeuge oder Limousinen werden mit viel Handarbeit erstellt.
  • Das Grundprinzip ist ein gepanzerter Kern, um den das Auto herumgebaut wird.
  • Je nach Sicherheitsanforderung durchlaufen diese Wagen mehrere ballistische Prüfungen.

Gepanzerte Sonderschutzfahrzeuge dienen Politikerinnen, Königen und Königinnen oder hochrangigen Managern als sicheres Transportmittel.

In Deutschland prüfen drei Beschussämter zivile Fahrzeuge. Sie haben sich zur Vereinigung der Prüfstellen für angriffshemmende Materialien und Konstruktionen (VPAM) zusammengeschlossen.

Königinnen und Kanzler wollen gut geschützt werden

Audi schwarz
Auch für Regierungschefs: Ex-Kanzlerin Angela Merkel war häufig in einem Sicherheitsfahrzeug von Audi unterwegs. - Audi AG/dpa-tmn

Bei der ballistischen Prüfung des Beschussamtes Ulm werden die Autos je nach Modell bis zu 500 Mal beschossen. Entweder zielt ein Schütze auf das Fahrzeug oder eine Waffenabschussanlage feuert gezielt auf kritische Punkte.

«Wir besichtigen die Konstruktion schon im Rohbau und sehen das Fahrzeug ohne Verkleidung, können daher vermeintlich kritische Punkte vorher erkennen und sie gezielt prüfen», sagt Peter Häussler vom Beschussamt Ulm.

Bei der Schwachstellen-Analyse achten die Experten auf Scharniere, Kanten, Verschweissungen und Verklebungen. Vorab werden die im Fahrzeug verbauten Panzerplatten und das Panzerglas bei einer separaten Materialprüfung auf Durchschuss-Hemmung geprüft.

Mit Sturmgewehren und Handgranaten

Tür Auto Panzerglas Beschuss
Amtlich beschossen: Im Beschussamt Ulm zeigt sich die Auswirkung von Waffengewalt auf einer Audi-Tür mit Panzerglas. - Felix Kästle/dpa/dpa-tmn

Gepanzerte Zivilfahrzeuge teilen sich je nach Stärke der Platten und des Glases in Prüfstufen VR1 bis VR10 nach VPAM-BRV auf. Die Abkürzung bedeutet Ballistic Resistance Vehicle und bezeichnet die Widerstandsfähigkeit des Fahrzeuges gegen Angriffe mit Geschossen.

Hält die Schutzhülle bei VR4-Fahrzeugen Kugeln eines 44er Magnum-Revolvers stand, sind es bei VR7 Patronen eines Schnellfeuergewehrs mit Nato-Munition und einer Aufprallgeschwindigkeit von über 900 m/s, also 3240 km/h.

Bei VR10 wird ein Auto mit Hartkern-Munition aus einem Sturmgewehr malträtiert. Zudem werden die Fahrzeuge neben der ballistischen Prüfung je nach Versuch einer Sprengprüfung unterzogen. Dabei zündet eine 12,5 Kilogramm schwere Sprengstoffmischung neben dem Fahrzeug.

Bei weiteren Versuchen liegt eine Handgranate unter und auf dem Auto.

Marken wie Audi, Bentley, BMW, Citroën, Jaguar, Mercedes und Range Rover verkaufen Sonderschutzfahrzeuge direkt ab Werk.

«The Beast», «Cadillac One» oder auch «Limo One»: So wird die schwer gepanzerte Cadillac-Limousine des US-Präsidenten auch genannt. - Friso Gentsch/dpa/dpa-tmn

Die meisten Fahrzeuge für Unternehmer und Privatpersonen gehen nach Südamerika, Russland und Asien. Europäische Kunden sind meist Behörden oder Königshäuser.

Andere Spezialunternehmen bauen Limousinen und Geländewagen zu Sicherheitsfahrzeugen um.

Wie ein Sicherheitsauto entsteht

Doch Panzerung ist nicht gleich Panzerung. Und einfach nur ein bisschen Sicherheitsglas und ein paar Stahlplatten zusätzlich an die Karosserie montieren, hält nicht alle Kugeln auf.

Vielmehr werden besonders gute gepanzerte Fahrzeuge schon im Rohbau konstruiert. Passagiere sitzen dabei in einem gepanzerten Kern, Motor- und Kofferraum werden quasi nur angeschraubt.

«Beim S 680 Guard setzen wir erstmals auf einen eigenen, in sich geschlossenen Schutzraum inklusive neuer Sicherheitssysteme», sagt Thomas Bentel als Guard-Entwicklungsingenieur bei Mercedes.

Anders formuliert: Panzerte Mercedes bisher die S-Klasse, verkleiden sie nun ein vorher gepanzertes Fahrzeug optisch zu einer S-Klasse.

Dem S 680 Guard sollen Kugeln aus einem Präzisionsgewehr und Maschinengewehre nichts anhaben, ebenso wenig wie Sprengstoff am oder unter dem Auto.

Schutz durch Stahl und massive Scheiben

Spezieller Stahl am Heck und der Stirnwand, Splitterschutzmatten im Dach und Aramidplatten – all das soll Schutz bieten.

Sicherheitsglas Schussspuren
Ausbeulungen, aber kein Durchschuss: So wirksam kann Sicherheitsglas gegen einen Beschuss sein. - Felix Kästle/dpa/dpa-tmn

Selbst vor einem Gasangriff sind Insassen geschützt: Sauerstoff presst mit leichtem Überdruck Luft aus dem Inneren, sodass kein Gas eindringen kann.

«Wichtig ist, dass die Insassen schnell aus der Gefahrenzone kommen und sich dann in Sicherheit bringen», so Bentel.

Dafür treibt das immerhin rund 4,5 Tonnen schwere Auto ein V12 mit 612 PS an. Von 0 auf 100 km/h dauert es 8,3 Sekunden, maximal 190 km/h sind trotz Gewichts drin. Selbst mit einem Platten geht's noch mit bis zu 80 km/h über 30 Kilometer weit.

Dicker Stahl und Diskretion

Bei BMW konnte der erste gepanzerte Wagen, ein 733i High Security (E23), ab Ende der 1970er-Jahre bestellt werden.

«Hochgeschützte Fahrzeuge werden vom Grundkonzept komplett neu aufgebaut, weil sie eine geänderte Struktur besitzen. Das erfordert viel Handarbeit», sagt Florian Biersack als Leiter Sicherheitsfahrzeuge bei BMW.

Genaue Angaben macht BMW ebenso wenig wie exakte Aussagen zur Technik. Das Geschäft lebe stark von der Diskretion. Ausserdem widerspreche es dem Sicherheitsgedanken des Fahrzeugs.

«Ziel ist es, den grösstmöglichen Schutz in der höchsten Qualität zu bieten, dabei möglichst anonym zu bleiben», sagt Biersack.

BMW baut aktuell jährlich ein paar hundert Fahrzeuge in Handarbeit.

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