Schafzüchter Olivier Sarrasin hat acht Tiere wegen einer Wolfsattacke verloren. Das Raubtier attackierte erstmals in einem bewohnten Weiler in Orsières VS.
Die gerissenen Schafe waren Jungtiere.
Der Wolf sprang über den Elektrozaun.
Die Kehlen der Schafe wurden aufgerissen.
Die Kehlen der Schafe wurden aufgerissen.
Sieben der acht gerissenen Schafe.
Die Jungtiere hatten keine Chance.
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Mindestens ein Wolf tötete in einem bewohnten Weiler im Wallis acht Schafe.
  • Der Schafzüchter hielt die Herdenschutzmassnahmen ein.
  • Die Gemeinde fordert Sicherheiten für Bewohner und Nutztiere.

Olivier Sarrasin (65) ist Schafzüchter in Orsières VS. Der Bergführer hat 260 Tiere, mit denen er jeweils im Juni auf die Alp geht. Jetzt grasen die Schafe unten im Tal.

Im Weiler Saleinaz wohnt auch Sarrasin mit seiner Familie. Rund 300 Menschen leben dort in den Chalets, darunter mehr als 60 Kinder. Es gibt auch viele Zweitwohnungen.

Schafzüchter Olivier Sarrasin auf der Wiese, wo seine Schafe gerissen wurden. Im Hintergrund sein Stall. - Nau.ch

Eine pittoreske Idylle wie aus dem Bilderbuch. Doch vor zwei Wochen erlebt Sarrasin den Albtraum jedes Schafzüchters. Es passiert in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai. Es ist neblig und kalt.

«Meine Frau war um 23 Uhr noch bei den Tieren, um drei junge Schäfchen zu schöppelen», erzählt Sarrasin. Um 2 Uhr nachts ruft sein Sohn an: «Er sagte, vor seinem Haus irrten mehrere meiner Schafe herum.»

Blutiges Schlachtfeld

Sarrasin geht sofort zu seiner Schafweide, die mit einem elektrischen Zaun gesichert ist. Dort trifft er auf ein blutiges Schlachtfeld. 40 Meter vom Stall und 100 Meter vom nächsten bewohnten Chalet entfernt. «Überall auf der Wiese hatte es gerissene Schafe, eines war sogar zweigeteilt. Es war der blanke Horror», erzählt Sarrasin.

Am Morgen nach der Wolfsattacke: Sieben der acht gerissenen Schafe. - zvg

Acht Schafe sind tot. Brutal gerissen. «Es waren zwei Wölfe», sagt Sarrasin. «Ich sah sie in der nächsten Nacht. Sie kamen zurück, wollten weitere Tiere reissen.»

Sarrasin und sein Sohn legen die toten Tiere in einer Reihe auf die Wiese. «Plötzlich sahen wir, dass eines der Schafe noch lebt. Sein Bein zuckte hin und her. Ich weinte. Es tat mir bis aufs Mark weh.» Der Sohn, der Wildhüter ist, erlöst das leidende Tier von seinen Qualen.

Sarrasin und seine Familie halten seit der Wolfsattacke jede Nacht Wache bei ihren Tieren. Drei junge Schäfchen und die Muttertiere hat er zum Schutz bis zu seinem Haus verlegt. Sarrasin sagt: «Wir leben hier in Angst. Die Situation ist untragbar geworden.»

Gemeinde will Sicherheiten

Das sieht auch die Gemeinde so. «Es ist das erste Mal, dass der Wolf hier bis in eine bewohnte Zone vorgedrungen ist. Das zeigt, dass er seine Scheu vor Menschen verliert», sagt Gemeindepräsident Joachim Rausis (41).

Gemeindepräsident Joachim Rausis: «Wie können wir hier ohne Angst leben?» - Nau.ch

Sarrasin sei ein vorbildlicher Schafzüchter. «Er hat seine Arbeit immer korrekt gemacht. Er hält alle Herdenschutzmassnahmen ein. Was kann er noch mehr tun?»

Der Gemeinderat von Orsières hat der Kantonsregierung in einem Brief seine grosse Besorgnis mitgeteilt. Er fordert auch Sicherheiten für die Bewohner und die Nutztiere.

«Es geht nicht mehr um die Polemik, ob der Wolf zurück in unserer Region ist oder nicht. Das Raubtier ist definitiv hier», sagt Rausis. «Es geht jetzt um die Frage, wie können wir hier ohne Angst leben? Mit dem Wolf geht das nicht.»

Sarrasin auf der Wiese, wo er seine zerrissenen Schafe fand. - Nau.ch

Das Walliser Jagdinspektorat bestätigt, dass ein Wolf die Schafe riss. «Wir können noch nicht sagen, ob es ein oder zwei Wölfe waren. Das Resultat der DNA-Analyse steht noch aus», sagt Biologe Yvon Crettenand. «In der Gegend gibt es aber mindestens zwei Wölfe.» Im ganzen Wallis hat es derzeit zwischen 30 und 35 Wölfe.

Schafzucht oder Nationalparks?

Schafzüchter Sarrasin hat genug: «Wir sind heute am gleichen Punkt wie vor 25 Jahren. Einzig der Wolf hat sich in dieser Zeit verdreifacht.» Sarrasin verlor schon 1995 einige Tiere, als ein Wolf zum ersten Mal in der Schweiz Schafe riss.

Eines der Schafe wurde in zwei Teile gerissen. - zvg

«Man will ein Raubtier schützen, das alles massakriert und tötet», sagt Sarrasin. «Man muss endlich aufhören zu träumen. Der Wolf ist eine Bestie.» Sarrasin sagt: «Ich bin inzwischen sogar zu müde, um wütend zu sein.»

Das Thema Wolf sei nur emotional für Leute, die keine Erfahrung mit der Realität vor Ort hätten: «Solche Menschen kommen nur zu uns, wenn am Wochenende schönes Wetter herrscht.»

Für den Schafzüchter ist klar: «Will man in der Schweiz überhaupt noch Schafzucht oder nur noch Nationalparks?»

Schafzüchter Sarrasin hat drei junge Schäfchen und die Muttertiere zum Schutz bei seinem Haus untergebracht. - Nau.ch

Sarrasin hat jetzt bei seiner Schafherde zusätzlich Blinklampen aufgestellt. Auch Musik aus einem Radio soll den Wolf auf Abstand halten.

Zwölf Jahre lang züchtete er Pyrenäenberghunde. Die sogenannten «Patous» beschützen Schafe. Doch es funktionierte nicht: «Es kam immer wieder zu Konflikten mit Wanderern. Ich musste auf diese Schutzhunde verzichten.»

Sarrasin will trotz Stress und schlaflosen Nächten nicht aufgeben: «Ich behalte meine Schafe bis zu meinem Tod. Ich werde den Wolf bis zu meinem Tod bekämpfen.»

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

StressWetterTodAngstWolf