Eine Expertin ordnet den Sieg der Klimaseniorinnen vor dem EGMR zum Klimawandel ein und meint: «Dies könnte Einfluss auf Gesetze haben.»
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Die Schweizer Klimaseniorinnen hatten 2016 den Bund verklagt: Grund: Er schütze sie zu wenig vor den Auswirkungen des Klimawandels. Sie blitzten vor allen Instanzen ab und zogen weiter vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Europäische Gerichtshof ist auf die Beschwerde der Klimaseniorinnen eingetreten.
  • Die Schweizer Behörden nun einen Plan ausarbeiten, wie sie das Urteil umsetzen möchten.
  • Laut einer Expertin könnte das Urteil auch Einfluss auf Gesetze haben.
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Am Dienstag entschieden die 17 Richterinnen und Richter der Grossen Kammer zugunsten der Schweizer Klimaseniorinnen. Das Urteil lautete: Die Schweiz tue zu wenig im Kampf gegen den Klimawandel und verletze damit Menschenrechte. Das Gericht rügte die Schweiz und die Schweizer Gerichte: Sie hätten die Beschwerde nicht ernst genommen und wissenschaftliche Beweise nicht berücksichtigt.

«Ich habe noch nie einen so speziellen Moment erlebt am Gerichtshof, das war aussergewöhnlich», sagt Corina Heri gegenüber dem «Beobachter». Die Uni-Zürich-Rechtswissenschaftlerin war vor Ort in Strassburg und auch schon vor einem Jahr bei der Anhörung der Klimaseniorinnen mit dabei. Sie erforscht seit Jahren, wie Gerichte bei Klagen zum Klimawandel zu gerechten Urteilen finden können.

Finden Sie es gut, dass die Schweizer Klimaseniorinnen gewonnen haben?

Heri gibt zu, dass das Resultat auch sie überrascht habe. «In der Vergangenheit war das Gericht eher restriktiv, wenn es um die Klagemöglichkeit von Vereinen in Umweltfällen ging.» Die Expertin spricht von einem «gescheiten» und «strategischen» Entscheid und «ein Signal für weitere Klagen».

Der Gerichtshof sage damit nämlich im Prinzip, dass er die Fälle gebündelt haben und über den Grundsatz entscheiden möchte. «Das ist sehr spannend. Und wird viele Organisationen dazu motivieren, ähnliche Klagen zu starten.» Der Gerichtshof habe festgehalten, dass er offen sei für Klimafälle, so Heri.

Expertin: «Schweiz kann das Urteil zum Klimawandel nicht ignorieren»

Die Expertin hält fest, dass die Schweiz das Urteil nicht ignorieren könne. «Die Schweiz als Mitglied des Europarats muss umsetzen, was der Gerichtshof entscheidet. Die Erfahrung zeigt auch, dass die Schweiz das meist zeitnah und gründlich tut.»

Konkret müssten die Schweizer Behörden nun einen Plan ausarbeiten, wie sie das Urteil umsetzen möchten, so Heri. Sie hält fest, dass es keine konkreten Anweisungen gebe, das sei aber auch nicht zu erwarten gewesen.

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Die Klimaseniorinnen im Jahr 2023 vor dem EU-Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg. - keystone

Der EGMR versuche, Staaten immer so viele Freiräume wie möglich zu lassen. Diese Offenheit sei ein Vorteil, denn damit könnten Urteile so demokratisch legitimiert wie möglich ins Recht einfliessen.

Heri betont: «Ich könnte mir schon vorstellen, dass es einen Einfluss auf Gesetze haben wird, in denen es um den Klimaschutz geht.» Die Expertin nennt dabei etwa das CO2-Gesetz. wie etwa das CO2-Gesetz.

Wie geht es nach dem Urteil zum Klimawandel weiter?

Die Schweiz muss ihren Plan zur Umsetzung des Urteils dem Ministerrat des Europarats kommunizieren. Wie Andreas Müller gegenüber den «Tamedia»-Zeitungen erklärt, hat dieses Komitee die Aufgabe, die Umsetzung von EGMR-Urteilen zu überwachen.

«Der Bundesrat wird berichten müssen, was die Schweiz unternommen hat. Das erhöht den politischen Druck», betont der Völkerrechtsprofessor an der Universität Basel.

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Die Klimaseniorinnen bei einer Aktion des Klimaschutzgesetzes am Fuss des Morteratschgletschers im Mai 2023. - keystone

Sollte die politische Schweiz nichts unternehmen, oder das Volk an der Urne Massnahmen ablehnen, würde die Schweiz, die Menschenrechte verletzen. Das stehe nun mit dem Urteil fest, sollte die Schweiz untätig bleiben, so Andreas Müller.

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