80 Prozent der Kunden zahlen bargeldlos. Dabei werden immer Daten gespeichert – somit «weiss man schon fast alles über einen Menschen», warnt ein Ökonom.
Zahlen ohne Bargeld
Zahlen ohne Bargeld. - dfg

Das Wichtigste in Kürze

  • Wer heute noch mit Bargeld zahlt, ist eine Ausnahme.
  • Doch Ökonomen warnen davor, Bargeld zu verbannen.
  • Die Konsumenten würden dadurch immer abhängiger von Staat und Wirtschaft.
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Hier kurz die Karte an ein Lesegerät halten – dort rasch die Bezahl-App auf dem Handy öffnen und schwups sind das Gipfeli und der Kaffee auch schon bezahlt. Und aus den Gedanken verschwunden.

Immer öfter wird mit Kärtli oder Handy bezahlt. Und immer mehr Läden und Restaurants setzen entsprechend auf bargeldlos. Wie zum Beispiel die Bäckerei-Kette Reinhard aus Bern. Dort werden die Bargeld-Kassen im Sommer abgebaut und stattdessen wird ein Bargeld-Automat eingeführt.

Kaffee und Gipfeli sind somit rasch vergessen, die Informationen darüber aber nicht.

Bezahlst du überhaupt noch mit Bargeld?

Denn bei jeder Transaktion werden Daten gespeichert. Darunter: der Zeitpunkt, der Ort, der Betrag und oft auch die Art des gekauften Produkts. Das erklärt Konsumexperte Christian Fichter gegenüber Nau.ch. Diese Informationen können von Banken und Zahlungsdienstleistern für verschiedene Zwecke genutzt werden. «Etwa zur Betrugsprävention, für Marketinganalysen oder zur Verbesserung von Dienstleistungen

Auch Banken profitieren von den Daten

Fichter warnt: Die Gefahr bestehe darin, dass solche Daten ohne die ausdrückliche Zustimmung des Konsumenten für weitere kommerzielle Zwecke verwendet oder sogar an Dritte verkauft werden.

Auch Ökonom Mathias Binswanger hält fest: «Wir können davon ausgehen, dass alle Daten, die man auswerten kann, auch ausgewertet werden. Anonymes Zahlen geht nur mit Bargeld.»

Unternehmen könnten dank der Informationen über ihre Kunden diese viel gezielter ansprechen und individuell abgestimmte Rabatte gewähren oder Anreize setzen.

Bahnhof
Bargeld ist immer weniger beliebt. So auch bei der Bäckerei Reinhard am Bahnhof Bern.
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Deshalb wird dort ein Bargeld-Automat installiert.
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Bargeld sei jedoch eine der letzten Bastionen der Privatsphäre, so der Wirtschafts- und Konsumpsychologe.
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Wer mit Bargeld zahlt, gibt keine Daten preis.

Doch nicht nur die Firmen, auch die Banken könnten davon profitieren. «Sie können die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden so viel gezielter erfassen», erklärt der Volkswirtschaftsprofessor.

Der Staat könne durch lückenloses Erfassen der Zahlungsvorgänge dafür sorgen, dass sich alle Bürger brav verhalten und brav ihre Steuern zahlen. «Daraus ergibt sich eine unheilige Allianz zwischen Staat und Wirtschaft zur Abschaffung des Bargeldes», erläutert Binswanger.

Wieso Bargeld für KI schlecht ist

Je weniger Bargeld, desto kleiner die Freiheit. Mathias Binswanger zeigt das so auf: «Weiss man über das Zahlungsverhalten eines Menschen Bescheid und hat gleichzeitig noch Daten über sein Bewegungsverhalten über das Smartphone, dann weiss man schon fast alles über einen Menschen.» Versprochen würden Sicherheit und Bequemlichkeit – Privatsphäre und Freiheit müssten dafür büssen.

Binswanger zeigt auch auf, wieso bargeldloses Zahlen für die Entwicklung von KI wichtig ist: «Künstliche Intelligenz ist zwingend an Big Data gekoppelt. Das heisst, sie funktioniert nur mit einem gläsernen Menschen. Die Abschaffung der Bargeldzahlung ist ein entscheidender Schritt in diese Richtung.»

Der Staat als sicherer Hafen?

Unbestritten ist, dass der Staat strengen gesetzlichen Regelungen bei der Sammlung und Nutzung solcher Daten unterliegt. Und trotzdem: Die Frage, wo in der Abwägung Datenschutz versus öffentliches Interesse die Grenze gezogen werden soll und wer darüber entscheidet, dürfe nicht ignoriert werden, betont Christian Fichter.

«Denn auch hier besteht die Befürchtung, dass in Zeiten der Unsicherheit oder unter Gesichtspunkten der nationalen Sicherheit Ausnahmen gemacht werden könnten.»

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