Die Corona-Pause hat auch Auswirkungen auf das Dopingkontrollsystem der Nada. Der Fokus gilt nun Athleten mit Olympia-Perspektiven und aus Risikosportarten.
Andrea Gotzmann
Andrea Gotzmann stellte sich den Fragen im dpa-Interview. - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Wegen den abgesagten Sportevents fallen in der Corona-Krise die Wettkampf-Dopingtests weg.
  • Dennoch wird das Dopingkontrollsystem der Nada aufrechterhalten.
  • Der Fokus gilt nun Athleten mit Olympia-Perspektiven und aus Risikosportarten.

«Wir haben noch das Trainings-Kontrollsystem», sagte Andrea Gotzmann, Vorstandsvorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur im dpa-Interview.

«Da haben wir aber reduziert und konzentrieren uns weiter auf eine wichtige Gruppe: Das sind die Perspektivathleten, die sich auf die Olympischen Spiele in Tokio vorbereiten. Da müssen wir ein gewisses Kontrollprogramm aufrechterhalten», sagte Gotzmann.

Das Dopingkontrollsystem ist betroffen von den Einschränkungen durch die Coronavirus-Pandemie. Wie wirkt sich die aktuelle Lage aus?

Andrea Gotzmann: Wir müssen uns natürlich den aktuellen Gegebenheiten anpassen. Für uns steht der Schutz und die Gesundheit der Athleten absolut an allererster Stelle und hat Priorität. Aber allein durch den Ausfall nahezu aller Wettkämpfe in Deutschland ergibt sich, dass diese Form der Kontrollen bei uns derzeit nicht mehr durchgeführt werden. Wir haben noch das Trainings-Kontrollsystem. Da haben wir aber reduziert und konzentrieren uns weiter auf eine wichtige Gruppe: Das sind die Perspektivathleten, die sich auf Tokio vorbereiten. Da müssen wir ein gewisses Kontrollprogramm aufrechterhalten.

Wie schwierig ist es geworden, die für Olympia qualifizierten und noch in der Qualifikation stehenden deutschen Spitzenathleten zu testen. Haben sich in dieser Situation Hürden aufgebaut?

Gotzmann: Die Athleten kommen weiterhin ihren Verpflichtungen im Meldesystem nach. Von daher ist gewährleistet, dass wir auch zum Quartalsende wieder entsprechende Aufenthaltsmeldungen erhalten. Das läuft weiter so! Wir sehen jedoch, dass die Mobilität der Athleten eingeschränkt ist, was Trainingsmöglichkeiten angeht. Von daher sehen wir im Augenblick keine Schwierigkeiten bei den Kontrollen, sie zu lokalisieren. Wichtig für uns ist, dass die Massnahmen zur Infektionsverhütung vollumfänglich von unserem Kontrollpersonal umgesetzt werden können.

Werden die Athleten von der Nada in dieser Lage einbezogen?

Gotzmann: Wir stehen im Austausch mit dem Verein Athleten Deutschland, den Athletenvertretern der Spitzenverbände und den Anti-Doping-Beauftragten, um Informationen zu erhalten, wenn ein Athlet behördlich verordnet unter Quarantäne steht, positiv auf SARS-CoV-19 getestet wurde oder akut erkrankt ist. Hinzuzufügen ist, dass wir bei der Durchführung von Blutkontrollen mit medizinischem Personal zusammenarbeiten. Blutkontrollen werden von Ärzten oder Heilpraktikern durchgeführt. Das sind Personen, die im medizinischen System aktuell wichtige Aufgaben erfüllen und übermässig beansprucht sind. Daher verzichten wir weitestgehend auf ihren Einsatz.

Wie wirkt sich das auf die Anzahl der Doping-Tests aus?

Gotzmann: Wir haben eine gewisse Reduktion, aber wichtig für uns ist, sich jetzt noch genauer auf diejenigen zu fokussieren, die den Risiko-Sportarten angehören und die sich auf Tokio vorbereiten.

Viele Trainingslager im Ausland sind abgesagt, aber es gibt noch deutschen Sportler, die sich im Ausland befinden. Es gibt inzwischen zahlreiche Grenzschliessungen!

Gotzmann: Das sind Umstände, die wir tagtäglich neu bewerten müssen. Hier müssen wir uns flexibel anpassen. Unsere Kontrolleure schicken wir jetzt nicht mehr ins Ausland. Falls es überhaupt möglich ist, versuchen wir mit unseren Partnerorganisationen vor Ort zusammenzuarbeiten und dort ansässige Kontrolleure zu beauftragen. Inzwischen sind beide Analyselabore in Spanien - in Madrid und Barcelona - ebenso geschlossen wie die Institute in Montréal und in Italien. Es fehlen Kapazitäten. Das Gleiche gilt für die Kontrollen. Die allgemeine Situation ist weltweit äusserst schwierig und kritisch.

Was ist mit den deutschen Laboren in Köln und Kreischa?

Gotzmann: Sie sind funktionsfähig, aber es wird auch hier mit einem reduzierten Personaleinsatz gearbeitet. Hier besteht immer die Möglichkeit, Proben einzufrieren und sie nach einem etwas längeren Zeitraum zu analysieren. Aber ich glaube, in allen Bereichen, den Sport betreffend auch das Doping-Kontrollsystem, haben wir derzeit Einschränkungen jeglicher Art, was Mobilität und Flexibilität angeht.

Wenn ein Athlet durch den Coronavirus infiziert sein sollte: Kann er die Kontrolle verweigern? Bietet die Krisensituation auch Möglichkeiten zum Schummeln?

Gotzmann: Ich glaube, dass wir in der augenblicklichen Situation diese Art von Schummeleien wenig erleben werden. Gerade, weil es um massive gesundheitliche Probleme gehen kann. Wir werden nachfragen, ob die Quarantäne oder diese entsprechende Krankheit festgestellt wurde. Das ist etwas, was wir dokumentieren und uns bestätigen lassen. Wir müssen aber beachten: Sollte eine Athlet, ohne es zu wissen, zum Zeitpunkt der Kontrolle mit dem Coronavirus infiziert gewesen sein, ist es für uns wichtig, dass wir das betroffene Kontrollpersonal informieren und die Labore vorgewarnt werden.

Macht es unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit und des Erfolgs des Anti-Doping-Kampfes noch Sinn, dass die Olympischen Spiele stattfinden?

Gotzmann: Das ist schwer zu sagen und hier müsste man spekulieren. Ich habe mir auch kaum vorstellen können, in so eine Situation persönlich zu kommen, wo auf einmal der Terminkalender innerhalb von zwei Tagen komplett in sich zusammenfällt. Wir planen von Tag zu Tag, müssen Anpassungen vornehmen und die Dinge immer wieder neu bewerten.

Die Situation ist insgesamt dramatisch. Schreckt das aber Doper ab, sie für Betrug und Schlupflöcher zu nutzen?

Gotzmann: Wir wissen, dass die überwiegende Anzahl der Athleten sauber ihren Sport betreiben und augenblicklich auch in schwierigen Situationen sind. Der Sport an sich ist im Augenblick in der Krise. Und wir müssen es alle gemeinsam schaffen, unser schönes Hobby wieder in einen Rahmen zu kriegen, wo alle gesund teilnehmen können. Und dann auch, dass die Leistungen sauber erbracht werden.

ZUR PERSON: Andrea Gotzmann (62) ist seit September 2011 Vorstandsvorsitzende der Nada. Zuvor war die Sportwissenschaftlerin und Biochemikerin mehr als 25 Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Deutschen Sporthochschule tätig.

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