Nach dem Mord an Präsident Jovenel Moïse ringt Haiti um eine Stabilisierung der Lage.
In Haiti herrscht nach dem Präsidentenmord ein grosses Polizeiaufgebot
In Haiti herrscht nach dem Präsidentenmord ein grosses Polizeiaufgebot - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Moïses Witwe schildert Attentat auf ihren Mann.

Aus Furcht vor Angriffen auf wesentliche Infrastruktur bat die Regierung des Karibikstaats am Wochenende die Vereinten Nationen und die USA um militärische Hilfe. Die Präsidentenwitwe Martine Moïse, die bei dem Anschlag auf ihren Mann verletzt worden war, appellierte, das Land nicht im Chaos versinken zu lassen.

Der Mord an Moïse stürzte das ohnehin von Instabilität und grosser Armut geprägte Haiti in eine noch tiefere Krise. Wie die US-Regierung mitteilte, bat die Regierung in Port-au-Prince bei Washington um Unterstützung bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit sowie bei den Ermittlungen zu dem Attentat.

Mitarbeiter der US-Bundespolizei FBI wurden nach US-Angaben bereits nach Haiti entsandt. Eine Entsendung von Soldaten in den Karibikstaat stehe derzeit aber nicht zur Debatte, sagte ein US-Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur AFP.

Moïse war in der Nacht zum Mittwoch in seinem Haus in Port-au-Prince erschossen worden. Nach Polizeiangaben war ein Mordkommando aus «26 Kolumbianern und zwei US-Bürgern haitianischer Herkunft» an dem Attentat beteiligt. 17 Verdächtige wurden festgenommen und drei weitere erschossen. Einige mutmassliche Komplizen sind nach offiziellen Angaben auf der Flucht. Zu den Hintermännern des Attentats und ihrem Motiv gibt es bislang nur Spekulationen.

Moïses Witwe Martine, die nach dem Anschlag zur Behandlung nach Miami ausgeflogen worden war, äusserte am Samstag mehrere Vermutungen zu den Hintergründen der Tat. Möglicherweise sei der Mord von Leuten in Auftrag gegeben worden, die etwas gegen die Pläne ihres Mannes gehabt hätten, Haiti mit «Strassen, Wasser und Strom» zu versorgen sowie Ende dieses Jahres ein Verfassungsreferendum und Wahlen abzuhalten. Die Auftraggeber des Attentats wollten möglicherweise keinen politischen «Übergang in dem Land» sehen, sagte sie.

Martine Moïse äusserte sich in einer Audiobotschaft, deren Echtheit von Haitis Kommunikationsminister Pradel Henriquez bestätigt wurde. Darin schilderte sie auch das Attentat auf ihren Mann. «Innerhalb eines Wimpernschlags drangen die Söldner in mein Haus ein und durchlöcherten meinen Mann mit Kugeln (...), ohne ihm auch nur die Chance zu geben, ein Wort zu sagen», sagte sie.

Es dürfe nicht zugelassen werden, «dass sein Blut umsonst vergossen wurde», sagte die Präsidentenwitwe. Der Kampf ihres Mannes für den Ausbau der Infrastruktur und Wahlen im Herbst müsse fortgesetzt werden.

Auf die Abhaltung der Wahlen im Herbst dringt auch die internationale Gemeinschaft. Derweil wird in Port-au-Prince darum gerungen, wer die Legitimität zur übergangsweisen Führung des Landes innehat. Eine von Moïses letzten Amtshandlungen war die Ernennung von Ariel Henry zum neuen Ministerpräsidenten gewesen. Zum Zeitpunkt von Moïses Ermordung war jedoch der bisherige Regierungschef Claude Joseph noch im Amt. Er beansprucht die Interims-Führung daher für sich.

In einem Versuch, Joseph zu stürzen, wählte das nur noch aus wenigen Senatoren bestehende Oberhaus in Port-au-Prince seinen bisherigen Vorsitzenden Joseph Lambert zum neuen Übergangspräsidenten. Der Plan sieht vor, dass unter ihm Henry Regierungschef werden soll. Da der Senat nicht beschlussunfähig ist, ist unklar, ob Lambert das Amt wirklich antreten kann. Derzeit weiss Joseph offenbar Polizei und Armee hinter sich. In einem CNN-Interview sagte er am Samstag: «Die Verfassung ist klar: Ich muss Wahlen organisieren und die Macht an jemand anderen, der gewählt worden ist, übertragen.»

In den Strassen von Port-au-Prince war derweil das erschütterte Vertrauen vieler Menschen in den Staat spürbar. «Wenn der Präsident hier ermordet werden kann, dann werde ich - ein einfacher Bürger - nicht verschont bleiben», sagte Louis Limage, der unter den mehr als 200 Menschen war, die in der US-Botschaft in Port-au-Prince um politisches Asyl bitten wollten.

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