Macht das Parlament Politik für die Wähler? Daran gibt es immer wieder Zweifel. Diese sind berechtigt, zeigt eine Analyse. Besonders Bürgerliche sind betroffen.
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Das Bundeshaus in Bern. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Volksvertreter politisieren teilweise am Volk vorbei, zeigt eine Analyse.
  • Am grössten ist der Unterschied zwischen Wählern und Politikern bei FDP und SVP.

Politiker sollen den Willen der Wähler vertreten. Doch: «Die in Bern machen doch sowieso was sie wollen!» Das hiesse es oft, sagte gestern SVP-Nationalrat Mike Egger. Er war bei der Präsentation der Resultate der Vimentis-Umfrage 2020 anwesend.

Resultat der grössten Online-Umfrage des Landes: 47 Prozent der Schweizer sind mit der Politik eher oder gar nicht zufrieden. Zufrieden sind nur 36 Prozent, das sind zwei Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Woran liegst?

Grösser Unterschied bei Krankenkassenprämien

Eine mögliche Erklärung liefert das politikwissenschaftliche Institut der Uni Zürich. Die Forscher verglichen die Positionen der 146 Nationalrätinnen und Nationalräte mit jenen des Stimmvolks. Smartvote, sotomo und gfs.bern hatten die Daten erhoben.

Der Vergleich von acht Themen zeigt deutlich, dass die Politiker die Meinung der Wähler nicht immer vertreten. Die Themen waren etwa die Begrenzung der Zuwanderung, Kampfflugzeuge, Krankenkassenprämien und Klimaschutzmassnahmen.

Den deutlichsten Unterschied zwischen Parlament und Stimmbevölkerung machen die Forscher bei der Verbilligung der Krankenkassenprämien aus. Während sich die Wähler mit 56 Prozent relativ deutlich für eine Vergünstigung aussprachen, findet die Thematik im Nationalrat keine Mehrheit.

Keine Diskussion bei Öffnung der Ehe

Auch beim Klima sind sich Volk und Volksvertreter nicht einig. 66 Prozent der Parlamentarier befürworten Klimaschutz-Massnahmen mit spürbaren Kostenfolgen. In der Bevölkerung sind nur knapp 54 Prozent dazu bereit. Ähnliches zeigt sich bei der Beschaffung neuer Kampfflugzeuge.

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Unterschied der Positionen der Parlamentarier (gelb) und Wähler (türkis). - IPZ UZH

Einig sind sich Volk und Politik bezüglich Erhöhung Rentenalter und Steuersenkungen: diese Anliegen haben keine Chance. Ebenso bei der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare: dieser steht offensichtlich nichts im Weg.

Die Studie zeigt auch, dass Politiker ihre Basis nicht ideal vertreten. Die FDP-Kehrtwende bezüglich Klimapolitik etwa, scheint bei ihrer Basis nur bedingt anzukommen. Während weniger als die Hälfte der FDP-Wähler Klimaschutzmassnahmen mit Kostenfolgen einführen möchten, liegt die Zustimmung der FDP-Parlamentarier bei 75 Prozent – eine Differenz von 31 Prozent.

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Die Differenzen in der Frage «Befürworten Sie Massnahmen zum Klimaschutz mit Kostenfolgen, die im Alltag deutlich spürbar sind?», nach Parteien. - IPZ UZH

Die Studienautoren rechnen die Differenzen in allen Themenbereichen zusammen und kommen so zum Schluss: Die grössten Differenzen zwischen Basis und Parlamentariern gibt es bei der FDP. Neben den Krankenkassen-Prämien und dem Klima werden die FDP-Wähler auch bezüglich dem Bestreben das Rentenalter zu erhöhen nur ungenügend vertreten.

Wähler sind weniger polarisiert als Parteipolitiker

Am nächsten bei ihrer Basis politisiert die GLP, die Differenz beträgt lediglich gut 17 Prozent, also zehn Prozentpunkte weniger als beim Freisinn. Auf Platz zwei und drei folgen Grüne und SP.

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FDP-Wähler und -Politiker liegen am weitesten auseinander, gefolgt von SVP und CVP. - IPZ UZH

Der grosse Graben zwischen Wählern und Repräsentanten erklären die Studienautoren bei der SVP mit der Differenz bei Prämien und Steuern. Während Politiker bei Nationalratsdebatten oft Schwarz-Weiss-Positionen einnehmen würden, herrschen bei der Bevölkerung Grautöne vor, bilanzieren die Autoren. Sie haben also gemässigtere Meinungen als ihre Vertreter im Bundeshaus.

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