Die Reaktionen auf die Vernehmlassung zu Einzelfallvergütung und kostendämpfenden Massnahmen im Gesundheitswesen sind gemischt. Die Mitte-Partei und die SP begrüssen die Stossrichtung zur Kostendämpfung bei Arzneimitteln. Die SVP und der Verband Interpharma weisen die geplanten Massnahmen zur Überarbeitung zurück.
Krankenkassenprämien Coronavirus
55'000 Haushalte in Zürich müssen erhaltene Prämienverbilligungen zurückzahlen. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Angepasst werden sollen die Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) und die Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV).

Die Vernehmlassung endete am Freitag.

Die Mitte ist der Ansicht, dass bei Generika und Biosimilars ein Sparpotential besteht. Die Partei unterstützt die vom Bundesrat geplante Förderung von günstigeren und gleichwertigen Medikamenten durch finanzielle Anreize für die Versicherten.

So soll etwa der Selbstbehalt für den Bezug von Originalpräparaten von 20 auf 50 Prozent erhöht werden, wenn ein kostengünstigeres Arzneimittel desselben Wirkstoffes auf der Spezialitätenliste steht.

Generell muss aus Sicht der Mitte-Partei jedoch die Patientensicherheit im Zentrum stehen. Wird aus rein medizinischen Gründen ein teureres Originalpräparat verschrieben, müsse es ebenfalls zurückerstattet werden, schreibt die Partei in ihrer Stellungnahme.

Auch die SP begrüsst die die Stossrichtung der Änderungen mit dem Ziel, eine Kostensenkung im Gesundheitswesen herbeizuführen. Der Vergleich mit dem Ausland zeige, dass die Preise für Medikamente und medizinische Leistungen in der Schweiz deutlich zu hoch seien, so die Partei. Laut SP wurde eine Chance verpasst, als das Parlament vor knapp zwei Jahren die Einführung eines Referenzpreissystems für die Preisfestsetzung von Generika ablehnte.

Die SP Schweiz hält die nun vorgeschlagenen Anpassungen zur Senkungen der Arzneimittelpreise für ungenügend, um eine Senkung der Gesundheitskosten voranzubringen. Dies werde insbesondere dadurch erschwert, dass in den Unterlagen keine Angabe zu den erhofften Einsparungen zu finden sei. Die Partei würde es begrüssen, wenn die Verwaltung eine Schätzung des Einsparpotenzials nachreichen würde.

Zum erhöhten Selbstbehalt, sofern Versicherte trotz gleichwertiger Alternative (Generika) ein teureres Originalpräparat beziehen, hält die SP fest, es sei fraglich, ob hier die Patientinnen und Patienten mit einem höheren Selbstbehalt zur Rechenschaft gezogen werden könnten. Denn Arzneimittel würden von Ärztinnen und Ärzten verschrieben. Bei ihnen müsse ein Umdenken ansetzen, häufiger Generika zu verschreiben.

Die SVP weist die Änderung der KVV und KLV «in dieser Form» zurück und fordert das Bundesamt für Gesundheit (BAG) dazu auf, mit den Branchenvertretern zusammen eine neue Vorlage auszuarbeiten. Der vorliegende Entwurf führe keine Schätzung zu möglichen Kostenersparnissen auf, kritisiert die Partei. Zudem wolle das BAG mit diesem Entwurf Kostenersparnisse auf Kosten des Patientenwohls durchsetzen.

Der vorliegende Entwurf delegiere Aufgaben vom BAG an die Krankenversicherer, schreibt die SVP. Das führe dazu, dass der administrative Mehraufwand der Versicherer steige und eine intransparente Ungleichbehandlung von Patienten je nach Versicherer nach sich ziehe.

Für den Krankenkassenverband Curafutura geht die Verordnungsänderung vor allem bei den patentabgelaufenen Medikamenten in die richtige Richtung. Curafutura vermisst jedoch Reformwillen für eine echte Anreizneutralität bei den Medikamentenmargen.

Der Verband habe daher mit den betroffenen Akteuren sowie dem Innendepartement EDI eine Lösung gesucht, die bei den Margen zu einer Kostendämpfung führe, teilte er mit. Der Fehlanreiz werde damit wesentlich geringer, das Originalarzneimittel anstelle eines preisgünstigeren Generikums oder Biosimilars abzugeben.

Da die Generikapreise im Vergleich zum Ausland überhöht seien, schlägt der Krankenkassenverband Santésuisse eine jährliche Preisanpassung aller patentabgelaufenen Produkte auf den medianen Preis der Referenzländer vor.

Der Bundesrat will Kranke, die ein von der Grundversicherung nicht bezahltes Medikament benötigen, möglichst gleich behandeln. Er schlägt neue Regeln für die sogenannte Einzelfallvergütung vor. Ob die Kosten für ein solches Arzneimittel, dessen Preis noch nicht festgesetzt ist, übernommen werden, entscheidet im Einzelfall die Krankenkasse. Beschleunigen will der Bundesrat zudem Aufnahmen von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste - den Katalog der Arzneimittel, die die Grundversicherung bezahlt.

Der Interessenverband der Pharmabranche, Interpharma, lehnt de geplanten Änderungen «entschieden» ab und weist die Revisionsvorlage zur Überarbeitung zurück. Die vom Bundesrat geplanten Verordnungsänderungen zementierten und verschärften die «aktuell bestehenden, dringenden Probleme» bei der Aufnahme von neuartigen innovativen Medikamenten in die Spezialitätenliste (SL), schreibt Interpharma. Das bedeute, dass Patientinnen und Patienten weiterhin lange auf regulär vergütete Therapien warten müssten.

Zudem verschlechterten die vorliegenden Revisionsvorschläge den Zugang insbesondere für Patientinnen und Patienten mit seltenen Krankheiten oder für Kinder und Jugendliche. Laut Interpharma droht eine Entwicklung in Richtung Zwei-Klassen-Medizin.

Auch die IG Seltene Krankheiten befürchtet, dass sich mit der geplanten Änderung der Zugang für Patientinnen und Patienten mit seltenen Krankheiten zu Therapien direkt oder indirekt verschlechtert. Insbesondere befürchtet die IGSK, dass Betroffene Therapien, die sie heute erhalten, künftig nicht mehr erhalten würden, dass sich der Zugang zu bestehenden Therapien jahrelang verzögern und die Betroffenen keinen Zugang mehr zu neuen innovativen Therapien erhalten würden.

Aus Sicht der SVP will das Bundesamt für Gesundheit mit den Ausführungen zu den Einzelfallvergütungen weiter die eigene Nachlässigkeit bei der Zulassung von Präparaten auf der Spezialitätenliste dadurch kaschieren, dass einfach mehr Ausnahmefälle geschaffen werden.

Die SP unterstützt eine Vereinheitlichung der Einzelfallvergütung der von Swissmedic noch nicht zugelassenen Medikamente. Zusätzlich fordert die SP, ein unabhängiges und bindendes Expertengremium in den Evaluationsprozess zu integrieren. Die Mitte unterstützt die Förderung von klinischer Begleitforschung zur besseren Evaluation von neuen kostenintensiven Therapien.

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