Dieselautos müssen im Labor strenge Grenzwerte einhalten – doch im Alltagsverkehr liegen sie massiv darüber.
Hinter dem Lenkrad ist die Luft dreckiger als auf der Strasse.
Hinter dem Lenkrad ist die Luft dreckiger als auf der Strasse.
Eine mobile Messanlage: Damit lässt sich der Schadstoffausstoss im realen Strassenverkehr messen. Bild: Deutsche Umwelthilfe
Eine mobile Messanlage: Damit lässt sich der Schadstoffausstoss im realen Strassenverkehr messen. Bild: Deutsche Umwelthilfe
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Das Wichtigste in Kürze

  • Im Labor müssen Dieselautos strenge Abgas-Grenzwerte einhalten, doch im echten Verkehr liegen fast alle weit darüber.
  • Grund: Die Abgasreinigung der Diesler ist für Tests optimiert – im Alltagsverkehr läuft sie dagegen oft nicht mal.
  • Die Dreckschleudern sind weiter im Handel, erst im September 2019 läuft die Übergangsfrist für einen strengeren Test ab.

Dieselautos sind in Verruf geraten. So dürfen ältere Wagen seit gut einem Monat auf manchen Strassen Hamburgs nicht mehr fahren. Und erst letzte Woche hat ein Gericht die Stadt Stuttgart dazu verdonnert, rasch einen Plan für flächendeckende Diesel-Fahrverbote auszuarbeiten. Betroffen wären Autos, die noch der veralteten Abgasnorm Euro 5 entsprechen. Der Grund für die Verbote: Die Diesler verpesten die Luft. Ihren Auspuffen entweichen zu viele Stickoxide. Diese Schadstoffe greifen die Schleimhäute an und können zu schweren Erkrankungen der Atemwege führen. In der Schweiz sterben laut Schätzungen an Schadstoffen in der Luft über 1000 Menschen pro Jahr.

Doch auch neuere Dieselautos mit der Abgasnorm Euro 6b pusten viel zu viele Stickoxide aus dem Auspuff, wie Messungen im realen Verkehr von unabhängigen Organisationen wie der britischen Emission Analytics immer wieder zeigen: Ein durchschnittlicher Euro-6b-Diesler bläst im Alltag fast 400 Milligramm Stickoxide pro Kilometer in die Luft – zulässig wären 80 Milligramm.

Gesetzeslücke

Wie ist das möglich? «Die Hersteller nutzen Lücken in den Gesetzen schamlos aus», sagt Martin Winder, Emissions-Experte beim Verkehrs-Club der Schweiz. Denn wie sauber die Autos fahren, müssen sie bisher nur in standardisierten Tests im Labor zeigen. Für diese sind die Autos optimiert und dort liegen sie unter dem erlaubten Grenzwert. Doch draussen auf den Strassen sieht es anders aus: Bei kalten Temperaturen funktioniert die Abgasreinigung nur schlecht. Und schlimmer noch: Oft läuft sie gar nicht erst. So schaltet etwa Fiat die Reinigungsanlage nach circa 23 Minuten normaler Fahrt aus – denn der Labortest dauert nur 20 Minuten. «Das widerspricht klar dem Sinn und Zweck der Abgasnorm», sagt Winder. Aber die Gesetze sind nicht strikt genug, und das missbrauchen Autokonzerne, um Kosten zu drücken. Doch technisch sind saubere Diesler durchaus möglich. So hält etwa Audi mit dem Q3 die Grenzwerte ein.

Immerhin hat die EU nun ein schärferes Testverfahren eingeführt, das auch in der Schweiz gilt. Dabei wird nicht mehr nur im Labor gemessen, sondern auch im echten Verkehr. Allerdings läuft bis im September 2019 eine Übergangsfrist, in welcher die Händler auch die älteren, dreckigen Diesler verkaufen dürfen. Winder empfiehlt, einen Wagen der neuesten Norm Euro 6d TEMP zu kaufen, falls man sich für ein Dieselauto entscheide. Doch selbst wenn in gut einem Jahr nur noch saubere Diesler im Handel sind: Viele Dreckschleudern fahren weiterhin auf den Strassen. «In der Schweiz sind Autos im Schnitt 14 Jahre im Verkehr», sagt Winder. Die Belastung der Luft wird also nicht so schnell abnehmen.

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