Der neue Direktor des Kunstmuseum St. Gallen möchte die Schwellenangst vor dem «Palast» Kunstmuseum abbauen. «Alle sind willkommen und Kunst ist da, um diskutiert zu werden», sagt Gianni Jetzer. Am Freitag eröffnete er in der LOK die Ausstellung von Sheila Hicks.
Die amerikanische Künstlerin Sheila Hicks im Gespräch mit Gianni Jetzer, dem neuen Direktor des Kunstmuseums St. Gallen.
Die amerikanische Künstlerin Sheila Hicks im Gespräch mit Gianni Jetzer, dem neuen Direktor des Kunstmuseums St. Gallen. - sda - KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER
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Das Wichtigste in Kürze

  • Von 2001 bis 2006 leitete Gianni Jetzer die Kunsthalle St.

Gallen. Danach ging er in die USA zum Swiss Institute in New York. Ab 2013 arbeitete er als unabhängiger Kurator für das Hirshhorn Museum in Washington D.C. Im vergangenen November kehrte der 52-Jährige in die Ostschweiz zurück und übernahm die Direktion des Kunstmuseums St. Gallen.

Dank der Kunst könnte man die Perspektive wechseln, sagt Gianni Jetzer in einem Video des Kunstmuseums: «Die Kunst kann uns in eine andere Sphäre beamen, so dass man plötzlich ganz klein oder ganz gross wird.» Es seien oft körperliche Wahrnehmungen, wo wir mit unserem Körper Mass nehmen.

In dieses Bild passt die aktuelle Ausstellung in der Lokremise von Sheila Hicks. Die Architektur der LOK eignet sich hervorragend für das Raumgefühl der amerikanischen Künstlerin: Zwei monumentale, textile Säulen ragen bis unters Dach des Industriebaus, in dem einst Lokomotiven untergebracht waren, als ob sie die fragile Dachkonstruktion stützten.

Auch eine aus Blau- und Türkistönen bestehende Arbeit aus aufgetürmten Wollballen reicht bis an die Decke. Sie besteht aus Nylonnetzen, welche mit synthetischen Wollfasern gefüllt sind. Der «Mount Sheila» halte das Gebäude, sagte die 88-jährige Künstlerin schmunzelnd.

«Es ist ein Traum, der wahr geworden ist», erklärte der neue Museumsdirektor am Freitag bei der Vorstellung der Ausstellung «A little bit of a lot of things». Die LOK sei ein Ausstellungsraum, der nicht leicht zu bespielen sei. Die textilen Interventionen von Hicks verändern den Raum grundlegend. «Dimensionen werden relativiert, die Künstlerin interveniert auf einer Skala, welche den menschlichen Körper zur Nebensache werden lässt.»

Die seit 1964 in Paris lebende Amerikanerin spielt mit Naturmaterialien: Aus Wolle, Leinen oder Seide knüpft, webt oder spinnt sie immer wieder neue Formen. Dabei ist die Künstlerin zum einen durch ihr Malerei-Studium bei Bauhausmeister Josef Albers an der Yale University von der Moderne beeinflusst.

Zum anderen ist sie vom traditionellen Kunsthandwerk verschiedener Kontinente geprägt, welches sie auf Reisen und während längerer Aufenthalte kennengelernt hat. «Fasern haben eine universelle Sprache», sagte Sheila Hicks und reichte ein Stück Wolle in die Runde.

Die Künstlerin verpackt in ihren mit farbigen Fäden umwickelten Arbeiten auch «Familiengeheimnisse». In einer ihrer kleinformatigen Webereien verarbeitete sie die Haare einer Freundin, die an Krebs erkrankt war. Auch Muscheln, Stachelschweinborsten oder Pfeilspitzen sind in den «Minimes» verewigt, als Referenz an die Vergänglichkeit.

Die Ausstellung beinhaltet Werke, welche eine Zeitspanne von über sechzig Jahren abdecken. Es sei eine lebendige, gegenwartsbezogene Retrospektive, so Jetzer. Ein Rückblick auf ein umfangreiches, faszinierendes Werk und gleichzeitig ein Einblick in die aktuelle künstlerische Produktion von Sheila Hicks, deren Schaffenskraft bis zum heutigen Tag ungebrochen ist.

Die Ausstellung in der St. Galler Lokremise dauert bis zum 14. Mai.

www.kunstmuseumsg.ch

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