Sollen Langzeitarbeitslose Sanktionen hinnehmen müssen, wenn sie sich gegenüber dem Jobcenter unkooperativ verhalten? Eine Initiative wirbt mit Blick auf das geplante Bürgergeld für weniger strenge Regeln.
Der Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Einführung des Bürgergelds ab 1. Januar 2023 soll an diesem Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden.
Der Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Einführung des Bürgergelds ab 1. Januar 2023 soll an diesem Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden. - Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Sanktionen gegen unkooperative Hartz-IV-Beziehende verfehlen nach Einschätzung des Vereins Sanktionsfrei ihre Wirkung.

Anstatt Menschen nachhaltig in Arbeit zu bringen, hätten Kürzungen der Grundsicherung bei Verstössen gegen Auflagen der Jobcenter einen einschüchternden Effekt, so die Initiative Sanktionsfrei am Montag in Berlin unter Berufung auf eine eigene Studie.

Im Auftrag der 2015 gegründeten Initiative Sanktionsfrei e. V. hatte das Forschungsinstitut INES in einem Zeitraum von drei Jahren 585 zufällig ausgewählte Personen befragt, die in diesem Zeitraum durchgängig oder mit Unterbrechungen Grundsicherung bezogen haben. Bei einer Teilgruppe wurden Sanktionen finanziell ausgeglichen. Herausgekommen sei, dass finanziellen Kürzungen keinen besonderen Effekt auf die Motivation der Betroffenen hätten, teilte Sanktionsfrei e.V. mit.

In beiden Teilgruppen seien die Menschen nicht angespornter zu kooperieren. Laut den Befragten mit Sanktionen übten diese aber grossen Druck aus.

Nach den Plänen von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sollen beim Bürgergeld, das zum 1. Januar das heutige Hartz-IV-System ablösen soll, weniger strenge Auflagen gelten. Menschen, die Bürgergeld beziehen, sollen demnach für ein halbes Jahr keine Leistungskürzungen befürchten müssen, auch wenn sie beispielsweise Termine im Jobcenter verstreichen lassen.

Es wird gefordert: Sanktionen komplett abschaffen

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, sagte: «Sanktionen gehören restlos abgeschafft.» Nur dann könne Hartz IV überwunden werden. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, kritisierte, dass auch die regulären Grundsicherungssätze zu gering seien. «Durch Sanktionen sind diese Leistungen für viele Menschen auch nicht verlässlich.»

Der Handwerksverband sieht im Bürgergeld-Konzept der Bundesregierung hingegen falsche Anreize für Geringverdiener. «Es sorgt für Demotivation bei denjenigen, die mit einem geringen Gehalt regulär arbeiten. Am unteren Ende verschwimmen immer mehr die Grenzen zwischen regulärer Arbeit und dem Bürgergeld», sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, der «Rheinischen Post» (Montag).

Der Regelsatz für das neue Bürgergeld soll nach Plänen des Bundessozialministeriums für alleinstehende Erwachsene 502 Euro im Monat betragen. Derzeit läuft eine Ressortabstimmung, am Mittwoch soll das Bundeskabinett über den Entwurf beraten.

Handwerk kritisiert Heils Bürgergeld-Konzept

Der Handwerksverband sieht im Bürgergeld-Konzept der Bundesregierung falsche Anreize für Geringverdiener. «Es sorgt für Demotivation bei denjenigen, die mit einem geringen Gehalt regulär arbeiten. Am unteren Ende verschwimmen immer mehr die Grenzen zwischen regulärer Arbeit und dem Bürgergeld», sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, der Düsseldorfer «Rheinischen Post» (Montag).

Viele fragten sich, warum sie morgens um 7 Uhr schon arbeiten sollten, wenn Bürgergeld-Bezieher fast das Gleiche bekämen. «Die Verbesserungen für die Bezieher beim Schonvermögen, der Wegfall von Sanktionen, die deutliche Anhebung des Regelsatzes, die komplette Übernahme der stark gestiegenen Heizkosten - all das wird dazu führen, dass sich für mehr Menschen als bisher das Nicht-Arbeiten mehr lohnt als das Arbeiten.»

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