Martialisches Auftreten, eigene «Gesetze», Revierkämpfe und brutale Gewalt: Wenn Rockerclubs zur Gefahr für die Allgemeinheit werden, muss der Staat handeln, heisst es aus dem Bundesinnenministerium.
Feuerwehrleute entfernen unter Polizeischutz ein Schild am Vereinsheim der Rockergruppe «Bandidos». Foto: Dieter Menne/dpa
Feuerwehrleute entfernen unter Polizeischutz ein Schild am Vereinsheim der Rockergruppe «Bandidos». Foto: Dieter Menne/dpa - dpa-infocom GmbH
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • So wenig die Aufnäher auf ihren Rocker-Kutten modisches Beiwerk sind, so wenig geht es den berüchtigten Bandidos nach Einschätzung der Behörden allein ums Motorradfahren.

Die Rockergruppe «Bandidos MC Federation West Central» ist ab sofort verboten und aufgelöst. Es ist laut Bundesinnenministerium das bislang grösste Verbot dieser Art. Von dem Verein gehe eine schwerwiegende Gefährdung für die Allgemeinheit aus, heisst es zur Begründung.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) veröffentlichte die Verbotsverfügung am Montag in Abstimmung mit den Innenministern von Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz, wie das Ministerium mitteilte. Die Tätigkeit des Vereins und seiner 38 «Chapter» genannten Teilorganisationen laufe den Strafgesetzen zuwider. Schwere Körperverletzung sowie versuchte und vollendete Tötungsdelikte gehen demnach auf das Konto der Gruppierung.

Dass Straftaten durch die «Bandidos MC Federation West Central» nicht nur geduldet, sondern auch gefördert und belohnt wurden, lässt sich laut Bundesinnenministerium auch daran ablesen, «dass es verschiedene Aufnäher («Patches») des Vereins gibt, die an Mitglieder verliehen werden, die Straftaten im Sinne des Vereins verübt haben». Noch am Montag begannen in NRW Einsatzkräfte von der Feuerwehr unter Polizeischutz damit, die grossflächigen Schilder an Vereinsräumen abzuschrauben. Das Vereinsvermögen werde beschlagnahmt, teilte das Bundesinnenministerium mit.

«Das bislang grösste Verbot einer kriminellen Rockergruppe zeigt, dass sich der Rechtsstaat nicht an der Nase herum führen lässt», sagte Seehofer. Es trifft nach Schätzungen des Bundeskriminalamtes ungefähr 650 Rocker und damit mehr als die Hälfte der Mitglieder der «Bandidos» in Deutschland.

Der Schwerpunkt der «Bandidos MC Federation West Central» lag in Nordrhein-Westfalen. Auch in Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz fallen einzelne Bandidos-«Chapter» unter das Verbot.

Anfang Juli hatten in den vier Bundesländern sowie in Thüringen fast 1800 Polizeibeamte Vereinshäuser und Wohnungen von mutmasslichen Mitgliedern der Gruppierung durchsucht. Dabei wurden unter anderem Waffen, Munition, Drogen, Motorräder, Speichermedien und grössere Mengen Bargeld sichergestellt. Die Ermittler gewannen durch die Auswertung der Funde ausserdem zusätzlichen Einblick in die Struktur der Gruppierung. Mitgenommen wurden auch Westen mit Abzeichen, sogenannte Kutten.

Bereits im April war in Nordrhein-Westfalen das Bandidos-Chapter «BMC Hohenlimburg/Witten» verboten worden. Daraufhin habe dessen Dachorganisation die Selbstauflösung bekannt gegeben. Die Ermittlungen hätten jedoch ergeben, dass er weiter existiert habe, so das Bundesinnenministerium. «Wer unsere Gesetze mit Füssen tritt, verschwindet nicht vom Radar unserer Sicherheitsbehörden, nur weil er seine Selbstauflösung erklärt», sagte Seehofer.

Nach Einschätzung seines Ministeriums geht es der Rockergruppe nicht, wie in den Statuten des Vereins behauptet, vor allem um gemeinsames Motorradfahren. Zweck der «Bandidos MC Federation West Central» und ihrer nun ebenfalls verbotenen Teilorganisationen sei es vielmehr, «einen territorialen und finanziellen Machtzuwachs innerhalb der Rockerszene anzustreben und entsprechende Ansprüche regelmässig auch mit Gewalt, insbesondere gegenüber anderen Rockergruppierungen in seinem regionalen Einflussgebiet durchzusetzen».

So hatte etwa Anfang 2019 eine Schiesserei in der Kölner Innenstadt für Entsetzen gesorgt. Der Schusswechsel war wohl Teil des Machtkampfes zwischen «Bandidos» und Rockern von den «Hells Angels». Das Ministerium verwies zudem auf den Prozess vor dem Landgericht Hagen gegen mutmassliche Führungsmitglieder der Gruppierung sowie gegen führende Mitglieder eines bereits verbotenen «Chapters» der Bandidos aus Hagen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Die Rocker hatten in Nordrhein-Westfalen zuletzt versucht, sich juristisch gegen Verbotsverfügungen von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zur Wehr zu setzen. Nach den Durchsuchungen Anfang Juli waren auch in Hessen Ermittlungen wegen Verstosses gegen das Waffengesetz eingeleitet worden.

Durch das Vereinsverbot des Bundesinnenministeriums sind nun alle 28 Chapter der Bandidos in Nordrhein-Westfalen verboten, wie das dortige Innenministerium in Düsseldorf mitteilte. Ende Mai waren diesen 28 Chaptern noch 740 Mitglieder zugerechnet worden. «Heute haben wir einer der grössten kriminellen Rockervereinigungen den Stecker gezogen», sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) der Deutschen Presse-Agentur.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Jahr ein verschärftes «Kuttenverbot» für kriminelle Rocker bestätigt. Motorradclubs müssen es nach der Entscheidung hinnehmen, dass die Logos verbotener Gruppen nicht von anderen Rockern in leicht abgewandelter Form getragen werden dürfen. Die Karlsruher Richter wiesen drei Klagen gegen das 2017 verschärfte «Kuttenverbot» ab.

Laut Bundesinnenministerium wurde der «Bandidos MC» 1966 im US-amerikanischen Texas gegründet und ist in Deutschland seit 1999 vertreten.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Horst SeehoferHells AngelsAbstimmungFeuerwehrGewaltDrogenStaatBMC