Drei grosse Gipfel mit einem grossen Thema: der Ukraine-Krieg und seine Folgen. EU, G7 und Nato stellen ab Donnerstag wichtige Weichen für ihre Zukunft. Kanzler Scholz ist auf der ganzen Strecke dabei.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat einen Gipfelmarathon vor sich.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat einen Gipfelmarathon vor sich. - Michael Kappeler/dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Es ist ein Gipfelmarathon, wie man ihn selten erlebt hat.

Er startet am kommenden Donnerstag in Brüssel mit den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, wird dann in den bayerischen Alpen von der G7-Runde wirtschaftsstarker Demokratien fortgesetzt und findet nach acht Tagen seinen Abschluss in der spanischen Hauptstadt Madrid, wo die Nato sich neu aufstellen will.

Fast 50 Länder aller Kontinente sind beteiligt. Aber nur drei Chefs werden die komplette Strecke von Anfang bis Ende zurücklegen: Bundeskanzler Olaf Scholz, der französische Präsident Emmanuel Macron und der italienische Ministerpräsident Mario Draghi. Nur ihre Länder gehören sowohl EU und Nato als auch der G7 an.

Genau diese drei Spitzenpolitiker waren vergangene Woche auch zur Vorbereitung des Gipfelmarathons im Sonderzug nach Kiew gereist, um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu treffen. Auch er will nun bei allen drei Gipfeln dabei sein, aber nur per Video-Schalte.

Das zeigt schon, welches Thema bei den Gipfeln alles andere in den Schatten stellen wird: Der Ukraine-Krieg und seine globalen Folgen werden sich wie ein roter Faden durch alle drei Gipfel ziehen.

EU-Gipfel in Brüssel

Wenn Russlands Präsident Wladimir Putin seinen Streitkräften nicht am 24. Februar den Einmarsch in das Nachbarland Ukraine befohlen hätte, wäre beim EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag vermutlich der Klimaschutz das absolute Top-Thema gewesen. Ursprünglich war geplant gewesen, bei dem Treffen die notwendigen Weichenstellungen für das Erreichen der europäischen Einsparziele für Treibhausgase vorzunehmen. Angesichts des Ukraine-Kriegs und seiner Folgen wird das Thema aber nun allenfalls am Rande angesprochen.

Zu gross ist nach Angaben von Diplomaten die Sorge, sich über das schwierige Problemfeld Klimaschutz zu zerstreiten - vor allem, da durch den Ukraine-Krieg die Kosten für Energie nochmals gestiegen sind und viele Regierungen ihren Bürgern keine grossen Zusatzkosten für den Klimaschutz zumuten wollen.

Stattdessen werden die Staats- und Regierungschefs nun über die weitere Unterstützung für die von Russland angegriffene Ukraine beraten. Die EU-Kommission hat zu dem Treffen vorgeschlagen, die Ukraine und ihr kleines Nachbarland Moldau offiziell als EU-Beitrittskandidaten anzuerkennen. Zudem soll nach einem Entwurf für die Gipfelschlussfolgerungen auch die militärische Unterstützung für die Ukraine weiter ausgebaut werden.

Dass die Vorschläge die notwendige Zustimmung aller Staats- und Regierungschefs finden, gilt als sehr wahrscheinlich. Scholz, Macron und Draghi hatten sich dazu bereits in Kiew klar positioniert. Offen war bis zuletzt allerdings noch, ob andere EU-Staaten wie Österreich ihre Zustimmung zum EU-Kandidatenstatus für die Ukraine und Moldau an Fortschritte bei der EU-Erweiterung auf den Westbalkan knüpfen. Mit den Kollegen der Balkanstaaten wollen die Staats- und Regierungschefs am Donnerstagvormittag vor dem EU-Gipfel zusammenkommen. Österreich fordert zum Beispiel, auch Bosnien-Herzegowina den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu verleihen.

G7-Gipfel in Elmau

Ein halbes Jahr nach seiner Vereidigung als Kanzler ist Scholz erstmals Gastgeber eines grossen internationalen Gipfeltreffens. Auch in Elmau sollte eigentlich der Klimaschutz das Topthema sein. Auch hier wird aber der Ukraine-Krieg im Vordergrund stehen. Es soll um die Sanktionen gegen Russland und langfristige Hilfe für die Ukraine gehen, die nach vier Monaten Krieg von erheblicher Zerstörung gezeichnet ist. «Klar ist, und das werden wir dort nochmal als G7 zusichern, dass wir die Ukraine so lange unterstützen, wie das nötig ist», sagt Scholz.

Zur Reduzierung der Erderwärmung will Scholz seine Idee des Klimaclubs vorantreiben, die noch aus seiner Zeit als Finanzminister stammt. «Die Staaten, die sich gemeinsam auf den Weg machen für mehr Klimaschutz, sollten untereinander so zusammenarbeiten können, wie wir es uns für die ganze Welt vorstellen», beschreibt er das Projekt selbst.

Ein besonderes Anliegen ist es dem Kanzler, den Zusammenhalt der Demokratien weltweit zu stärken. Deswegen hat Scholz Indien, Indonesien, Südafrika, den Senegal und Argentinien als Gastländer nach Elmau eingeladen. «Unser Verständnis von Demokratie greift zu kurz, wenn wir uns nur auf den klassischen Westen konzentrieren», sagt er. Die mächtigen Demokratien der Zukunft seien in Asien, Afrika und im Süden Amerikas zu finden, und mit denen müsse man sich besser vernetzen. «Ein besonderer Erfolg wäre es, wenn der Gipfel der Ausgangspunkt für einen neuen Blick auf die Welt der Demokratie sein könnte», sagt Scholz.

Nato-Gipfel in Madrid

Den Abschluss des Gipfelmarathons wird schliesslich das Treffen der Staats- und Regierungschefs der 30 Nato-Staaten in Madrid bilden. Unklar war noch, ob von dem am Dienstag beginnenden Treffen wirklich die erhoffte Botschaft der Geschlossenheit ausgehen wird. Grund ist die bisherige Weigerung der Türkei, einem Start von Nato-Beitrittsgesprächen mit Finnland und Schweden zuzustimmen.

Die beiden Länder hatten bereits Mitte Mai die Aufnahme in die Verteidigungsallianz beantragt und darauf gehofft, als zum Beitritt eingeladene Staaten beim Gipfel in Madrid dabei sein zu können. Die Türkei blockiert bislang aber den Aufnahmeprozess und begründet ihre Haltung damit, dass Finnland und Schweden «Terrororganisationen» wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die syrische Kurdenmiliz YPG unterstützen würden - was beide Länder zurückweisen.

Offen war bis zuletzt auch noch, ob Frankreich bereit sein wird, der geplanten Erhöhung der Nato-Gemeinschaftsausgaben zuzustimmen. Das Land argumentierte bislang, dass es effektiver sei, wenn jedes Land seine nationalen Verteidigungsausgaben vernünftig steigere.

Als sicher gilt unterdessen, dass sich die Nato-Staaten angesichts des russischen Vorgehens gegen die Ukraine auf eine langfristige Stärkung der Ostflanke verständigen werden. Zudem soll ein neues strategisches Konzept beschlossen werden. Die aktuelle Fassung stammt aus dem Jahr 2010. Damals hatten die Alliierten beispielsweise noch gehofft, dass die Zeit der grossen Spannungen mit Russland vorbei sei und auf eine «echte strategische Partnerschaft» mit dem Land gesetzt.

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